Starke Knochen trotz Osteoporose – So können Sie selbst aktiv werden: Prof. Dr. med. Henning Kunter im Interview

Ärztin erklärt älterer Patientin mithilfe einer Knochendichtemessung auf dem Monitor die Diagnose Osteoporose im Beratungsgespräch in einer modernen Praxisumgebung. Die Erkrankung Osteoporose führt zu einer hohen Brüchigkeit der Knochen und kann bei Betroffenen starke Schmerzen auslösen. | © RFBSIP - stock.adobe.com

Osteoporose führt zu einer erhöhten Brüchigkeit der Knochen und betrifft in Deutschland rund sechs Millionen Menschen. Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und die Angst vor Stürzen belasten viele Betroffene. Dennoch gibt es wirksame Möglichkeiten, die Knochengesundheit zu fördern. In seinem neuen Buch „Aktiv gegen Osteoporose. Das Programm für starke Knochen“ zeigt der renommierte Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. med. Henning Kunter, wie unter anderem gezielte Bewegung und eine angepasste Ernährung helfen können, die Krankheit zu bremsen und die Lebensqualität zu erhalten. In unserem Interview spricht er darüber, wie Betroffene aktiv gegen Osteoporose vorgehen können.

ÄRZTE.DE: Herr Prof. Dr. Kunter, in Ihrem Ratgeber „Aktiv gegen Osteoporose: Das Programm für starke Knochen“ betonen Sie, wie wichtig Bewegung für die Knochengesundheit ist. Was hat Sie dazu inspiriert über dieses Thema zu schreiben?

Herr Prof. Dr. Kunter: Leider ist es immer noch so, dass viele an Osteoporose erkrankte Angst davor haben sich zu bewegen aus Angst vor neuen Brüchen. Auch viele meiner Kollegen raten ihren Patienten und Patientinnen zu übertriebener Vorsicht. Wir war es wichtig heraus zu stellen, dass eine kontrollierte Belastung für den Knochen genau das Richtige ist und wir in Zusammenspiel mit der Bewegung optimale Behandlungsergebnis erzielen können.

Prof. Dr. med. Henning Kunter

ist Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Alterstraumatologie des Evangelischen Krankenhauses Köln-Kalk. Zuvor baute er an der Uniklinik Köln Deutschlands erstes zertifiziertes, universitäres Zentrum für Alterstraumatologie und -orthopädie (ZATO) auf. Er hat eine einmalige Spezialisierung im Hinblick auf Osteoporose und forscht zu den Themen Alterstraumatologie und Osteoporose. Seit Jahren setzt er sich dafür ein, die medizinische Versorgungssituation von Osteoporose-Betroffenen zu verbessern.

ÄRZTE.DE: Welche Sportarten oder Übungen empfehlen Sie besonders, um die Knochen zu stärken? Und gibt es Bewegungen, die Menschen mit Osteoporose lieber vermeiden sollten?

Herr Prof. Dr. Kunter: Natürlich ist es klar, dass für unsere Patienten, die eine nachgewiesene Knochenschwäche haben, Risikosportarten verboten sind. Dazu zählen alle Sportarten, bei denen sie ein erhöhtes Sturzrisiko haben, zum Beispiel Kontaktsportarten, aber auch Extremsportarten wie Downhill Mountainbike und Fallschirmspringen. Je nach individuellem Können ist aber das Sturzrisiko von Mensch zu Mensch unterschiedlich. So würde ich beispielsweise einem sehr routinierten Skifahrer, der an Osteoporose erkrankt ist, nicht unbedingt vom Skifahren abraten, während ein Anfänger es lieber sein lassen sollte. Gut sind alle Sportarten, die den Knochen sehr kontrolliert belasten. Das kann bei intakten Gelenken z. B. Joggen sein, aber auch Rückschlag-Sportarten wie Tennis kommen durchaus infrage. Kurzzeitig das gesamte Körpergewicht auf einem Bein zu tragen, setzt einen idealen Reiz für die Knochenneubildung. Dabei sollte jedoch unbedingt berücksichtigt werden, ob Grunderkrankungen des Herz-Kreislauf- oder Skelettsystems vorliegen. Auch hier gibt es nicht „one size fits all“.  Das Risikoprofil ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Als generelle Leitlinie gilt aber: Das Risiko zu stürzen sollte auf ein Minimum reduziert werden.

ÄRZTE.DE: Sie gehen in Ihrem Buch auch auf medikamentöse Therapieoptionen ein. Ab welchem Punkt sind Medikamente für Betroffene notwendig?

Herr Prof. Dr. Kunter: In den Leitlinien unserer Fachgesellschaften wird ganz genau beschrieben, ab welchem Punkt eine spezielle Medikation notwendig ist. Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist das individuelle Risiko einen Bruch zu erleiden. Dieses hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, kann aber sehr genau berechnet werden. Liegt ein solch erhöhtes Frakturrisiko vor, reicht es nicht aus, eine sogenannte Basistherapie mit Vitamin-D und gegebenenfalls Kalzium durchzuführen. Ab diesem Punkt muss der Knochenstoffwechsel positiv beeinflusst werden; entweder indem der vermehrte Knochenanbau gestoppt wird oder bei besonders hohem Bruchrisiko der Knochen medikamentös angeregt wird, sich neu zu bilden.

ÄRZTE.DE: Das Sturzrisiko ist ein großes Problem für Menschen mit Osteoporose. Können Sie uns ein paar einfache Maßnahmen nennen, die helfen, Stürze im Alltag zu vermeiden?

Herr Prof. Dr. Kunter: Stürze entstehen entweder durch eine reduzierte Wahrnehmung von Umwelteinflüssen oder durch eine nicht adäquate Reaktion. Beides kann man positiv beeinflussen. Eine einfache Technik beides zu trainieren ist beispielsweise das einbeinige Zähneputzen. Durch das auf einem Bein stehen wird die Gleichgewichtsfähigkeit trainiert, die Muskulatur des Beines gestärkt und gleichzeitig das gesamte Körpergewicht auf ein Bein gelegt. Es ist aber auch wichtig, Risiken im Alltag zu vermeiden. Das bedeutet Stolperfallen im Haus, wie Teppiche oder freiliegende Kabel zu Lampen zu eliminieren. Auch eine ausreichende Beleuchtung gerade in den Abend oder Nachtstunden kann zu einem sicheren Zu hause beitragen. Gerade im ungewohnten Umfeld sollte sichergestellt sein, dass sämtliche Hilfsmittel wie Brille und Hörgerät richtig eingestellt und getragen werden.

Buchcover „Aktiv gegen Osteoporose“ von Prof. Dr. med. Henning Kunter mit Illustration zweier Knochen und Personen, Untertitel: „Das Programm für starke Knochen“.

ÄRZTE.DE: Viele verbinden Osteoporose vor allem mit älteren Menschen. Wie verbreitet ist die Erkrankung tatsächlich, und gibt es Präventionsmaßnahmen, die man schon in jungen Jahren ergreifen kann?

Herr Prof. Dr. Kunter: Immer mehr Menschen werden in Deutschland immer älter. Alleine aufgrund dieser Tatsache nimmt die Verbreitung der Osteoporose in unserer Gesellschaft weiter zu. Es gibt aber Risikofaktoren in Form von Erkrankungen oder Medikamenten die bereits in jüngerem Alter eine Osteoporose hervorrufen können. So stellen Darmerkrankungen, die die Aufnahme der Knochenbestandteile verschlechtern genauso wie die langwierige Einnahme von Kortison ein erhebliches Risiko dar, schon in jüngeren Jahren an Osteoporose zu erkranken. Ich rate Patienten mit solchen Erkrankung oder mit solcher Dauermedikation frühzeitig eine Knochendichtemessung durchführen zu lassen, um rechtzeitig mit der Therapie zu beginnen.

ÄRZTE.DE: Ihr Ratgeber soll Betroffenen Mut machen, aktiv gegen Osteoporose vorzugehen. Gibt es abschließend noch etwas, dass Sie unseren Leser:innen mit auf den Weg geben möchten?

Herr Prof. Dr. Kunter: Kontrollierte Belastung ist das A und O bei der Osteoporose. Zusammen mit einer ausgewogenen Ernährung haben Menschen die an Osteoporose erkrankt sind so die Möglichkeit ihren Knochenstoffwechsel positiv zu beeinflussen. Natürlich gehören auch regelmäßige Besuche beim Knochen-Spezialisten mit zur optimalen Versorgung. Wichtig ist, keine Angst vor Stürzen oder Brüchen zu entwickeln. Dies führt zu einem Teufelskreis von mangelhafter Belastung und daraus resultierender mangelhafter Wahrnehmung und Beweglichkeit. Motion is lotion! Durch eine adäquate Bewegung fördern Sie den Knochenstoffwechsel, trainieren Ihre Muskeln und Ihre Sensibilität in den Beinen und verringern so auch Ihr Bruchrisiko.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:
Eine Hand umfasst das Kinn und den Kiefer einer Frau. Der Mund ist geöffnet und schmerzhaft verzogen.

Veröffentlicht am: 15.04.2025

Biss-Störung (CMD): Das fehlende Puzzleteil in der Migränebehandlung

Eine mögliche Ursache für Migräne wird oft übersehen: Auslöser können Kieferfehlstellungen sein. Welche Rolle spielt CMD in der Migränebehandlung?

Ein älterer Mensch hält sein schmerzendes Handgelenk, möglicherweise aufgrund rheumatischer Beschwerden. Das Bild symbolisiert Gelenkschmerzen, die bei Rheuma auftreten können.

Veröffentlicht am: 04.03.2025

Cannabis in der Schmerztherapie bei Rheuma: Linderung bei entzündlichen Erkrankungen

Cannabis kann bei Rheuma Schmerzen lindern & Entzündungen hemmen. Wie THC & CBD in der Therapie eingesetzt werden & wie Sie medizinisches Cannabis verschrieben bekommen.

Zwei Ampullen mit Flüssigkeit und eine Spritze liegen auf blauem Hintergrund. Neben den Medikamenten sind Holzfiguren, die eine Familie darstellen, abgebildet. Die Familie besteht aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern, die sich an den Händen halten.

Veröffentlicht am: 24.02.2025

Grippeimpfung: Schon an die jährliche Auffrischung gedacht?

Grippeimpfung 2025: Alles, was Sie wissen müssen – von aktuellen Impfstoffen und WHO-Empfehlungen bis hin zu wichtigen Infos für Schwangere.