Wie gelingt der Muskelaufbau? Sportphysiotherapeut Silvan Schlegel im Interview

Frau und Mann trainieren in Fitnessstudio mit Kugelhanteln Jeder, der seine Gesundheit und Fitness verbessern möchte, kann von Krafttraining profitieren. | © ty - stock.adobe.com

Ob Sie nun für einen Marathon, Ihren Traumkörper oder mehr Fitness und Gesundheit trainieren - treiben Sie Sport, stoßen Sie früher oder später auch auf das Thema Muskelaufbau und Krafttraining. Dabei sind die Tipps und Empfehlungen oft sehr unterschiedlich.

Wie also sieht das optimale Muskelaufbautraining für Sie aus? Sportphysiotherapeut und Mitglied des medizinischen Teams der Kunstturn-Nationalmannschaft Silvan Schlegel hat mit uns im Interview über die wichtigsten Aspekte gesprochen.

ÄRZTE.DE: Lange war Muskelaufbau nur für Bodybuilder interessant. Wer sollte denn Muskelaufbautraining machen?

Silvan Schlegel: Muskelaufbautraining (Hypertrophietraining) ist heute für fast jede(n) relevant. Denn jede(r), der seine Fitness, Gesundheit und Lebensqualität verbessern möchte, kann von einem gezielten Krafttraining profitieren. Ab Mitte 20 beginnt der Körper biologisch abzubauen: Alle zehn Jahre verlieren Sie drei bis acht Prozent ihrer Muskelmasse. Ab dem 50. Lebensjahr können es sogar zehn Prozent sein. Krafttraining ist besonders für ältere Menschen wichtig, denn dieser natürliche Muskelabbau kann mit zunehmendem Alter zu einer eingeschränkten Mobilität führen. Aber auch in jungen Jahren, gerade im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit, nutzen Sportler:innen in fast allen Sportarten das Krafttraining, um ihre Athletik zu verbessern und das Risiko von Verletzungen zu reduzieren.

ÄRZTE.DE: Welche Art von Training ist optimal für den Muskelaufbau?

Silvan Schlegel: Für einen optimalen Muskelaufbau ist eine Kombination aus Krafttraining und ausreichender Regeneration entscheidend. Verschiedene Studien belegen, dass regelmäßiges Krafttraining bis ins hohe Alter zu einer Zunahme der Muskelmasse führt. Auch wenn der Stoffwechsel im Alter nicht mehr so schnell ist, zeigt sich schon nach wenigen Wochen ein deutlicher Effekt. Und dafür braucht es gar nicht viel. Das Training muss anstrengend sein und sollte mit der Zeit gesteigert werden, aber schon vier Sätze pro Muskelgruppe pro Woche können ausreichen, um diesen Effekt zu erzielen.

Silvan Schlegel

ist Physiotherapeut und selbst Sportler. Neben seiner Tätigkeit im medizinischen Team der deutschen Kunstturn-Nationalmannschaft der Männer widmet er sich insbesondere der Rehabilitation von Verletzungen bei (Profi-)Sportler:innen. Zu seinem Ansatz gehört auch ein präventives Training, um (weiteren) Verletzungen vorzubeugen.

ÄRZTE.DE: Wie sollte ein Trainingsplan für Muskelaufbau aussehen?

Silvan Schlegel: Ein effektiver Trainingsplan sollte natürlich auf Ihren aktuellen Leistungsstand und die persönlichen Ziele abgestimmt sein. Wenn Sie sich nicht sicher sind, wo Sie stehen, sollten Sie sich am Anfang lieber etwas unterfordern, als eine Überlastung zu riskieren. Früher oder später müssen Sie Ihr Training sowieso steigern. Ein klassisches Trainingsprogramm besteht aus drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche, bei denen alle Muskelgruppen beansprucht werden. Zwischen den Trainingseinheiten sollten mindestens 48 Stunden liegen, also zwei Tage, aber es sollten nicht mehr als drei Tage Pause sein. Basierend auf der aktuellen Literatur ist es wahrscheinlich nicht entscheidend, ob ein Ganzkörpertraining oder ein Splittraining durchgeführt wird, wenn der wöchentliche Trainingsumfang identisch ist. Es ist jedoch zu beachten, dass höhere Trainingsfrequenzen pro Muskelgruppe wahrscheinlich effektiver sind.

ÄRZTE.DE: Gehört Muskelkater zum Muskelaufbau dazu?

Silvan Schlegel: Nein! Muskelkater ist zwar ein bekanntes Phänomen nach dem Krafttraining, sollte aber nicht als Indikator für ein effektives Training angesehen werden. Er kann ein Hinweis darauf sein, dass die Trainingsbelastung neu war und der Körper mit einer spezifischen Anpassung reagiert, die zu einer Zunahme der Muskelmasse führen kann. Es ist jedoch durchaus möglich, Fortschritte beim Muskelaufbau zu erzielen, ohne jedes Mal Muskelkater zu haben. Entscheidend für den Muskelaufbau ist eine kontinuierliche Steigerung der Trainingsintensität und eine ausreichende Regeneration.

ÄRZTE.DE: Worauf muss ich bei der Ernährung für Muskelaufbau achten? Und brauche ich dafür unbedingt einen Ernährungsplan?

Silvan Schlegel: Für den Muskelaufbau ist eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Kalorien und Nährstoffen entscheidend. Schließlich soll Ihr Körper ja mehr Gewebe produzieren und dafür braucht er die nötigen Ressourcen. Besonders wichtig ist eine hohe Proteinzufuhr, denn Proteine sind die Bausteine der Muskulatur. Neben Proteinen sind auch Kohlenhydrate und Fette wichtig, um dem Körper genügend Energie für das Training und die Regeneration zur Verfügung zu stellen. Ein Ernährungstagebuch kann hilfreich sein, um sicherzustellen, dass Sie die richtigen Mengen an Nährstoffen und Kalorien über den Tag verteilt zu sich nehmen.

ÄRZTE.DE: Wann kann ich die ersten Ergebnisse meines Muskelaufbau-Trainings sehen?

Silvan Schlegel: Die ersten sichtbaren Ergebnisse des Muskelaufbautrainings hängen von unterschiedlichen Faktoren wie Ihrem aktuellen Leistungsstand, der Trainingsintensität und dem Stoffwechseltyp ab. Bei regelmäßigem und konsequentem Training können erste Verbesserungen bereits nach drei bis sechs Wochen sichtbar werden. Die Ergebnisse sind jedoch individuell verschieden. Vergleichen Sie sich also nicht mit anderen! Wichtig sind Geduld und Kontinuität. Die langfristigen Effekte des Krafttrainings, wie eine deutliche Zunahme der Muskelmasse, können Sie in der Regel nach einem halben Jahr beobachten.

ÄRZTE.DE: Ist Muskelaufbau bei Frauen anders als bei Männern?

Silvan Schlegel: Grundsätzlich verläuft der Muskelaufbau bei Frauen und Männern anatomisch und physiologisch nahezu identisch. Beide biologischen Geschlechter profitieren von Krafttraining und einer eiweißreichen Ernährung. Auch wenn hormonelle Unterschiede dazu führen, dass Frauen grundsätzlich etwas langsamer Muskelmasse aufbauen als Männer, liegen die Unterschiede eher in den Vorlieben für das Training bestimmter Körperpartien. Allerdings ist es völlig überflüssig, nach neuen, noch nie dagewesenen Übungen speziell für Frauen zu suchen, da diese mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zum Ziel führen werden. Es ist besser, bei den bewährten Methoden zu bleiben, auch wenn diese Ihnen vielleicht nicht so viele »Likes« auf den Social-Media-Kanälen bringen.

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