Veröffentlicht: 15.03.2024 | Lesezeit: 6 Minuten
Soll ich mich in einer Kooperation – etwa einer Gemeinschaftspraxis oder einem MVZ beteiligen? Diese Frage stellen sich viele Ärzte und Ärztinnen zu Beginn ihrer Laufbahn, manche auch später. Nicht für jede(n) Mediziner:in stellt eine Kooperation eine geeignete Alternative zur Einzelpraxis dar. Dennoch kann sie je nach Standort, medizinischem Angebot und Versorgungsauftrag erhebliche Vorteile gegenüber der Gründung oder Übernahme einer Einzelpraxis darstellen. Beweggründe dafür können etwa steigender Kostendruck oder anspruchsvolle Rahmenbedingungen sein - welche es auch immer sein mag: Die Schritte bis zur Entscheidung und gegebenenfalls Gründung sind komplex.
Zudem gibt es viele unterschiedliche Praxisformen, die alle ihre Vor- und Nachteile mit sich bringen. Dieser Beitrag soll Ihnen deshalb einen Überblick verschaffen.
Wo liegt mein Fokus? Zeit oder Unabhängigkeit?
Wünschen Sie sich mehr Zeit für Ihre Patienten und Patientinnen? Dann sind Sie in guter Gesellschaft, denn laut „Ärztemonitor 2018“, finden 57 % der Ärztinnen und Ärzte, dass Ihnen ganz oder teilweise nicht genug Zeit für Ihre Patienten und Patientinnen zur Verfügung steht. Wer diesen Wunsch weiterdenkt, wird um das in Betracht nehmen einer Kooperation nicht herumkommen, denn „Zeit für mehr“ stellen vor allem diese in Aussicht.
Welche Praxisformen gibt es?
Administrative Tätigkeiten und Prozessmanagement fressen einen großen Teil Ihrer Zeit. Der Gedanke, diese mit anderen Ärzten und Ärztinnen zu teilen, liegt also nahe. Auch Mitarbeiter:innen, Geräte oder Räumlichkeiten können je nach Praxisform gemeinsam genutzt werden. Das spart nicht nur Kosten, sondern verbessert auch die Auslastung. Doch welche Kooperation für Sie zu empfehlen ist und wann Sie lieber auf Eigenständigkeit setzen sollten, hängt vor allem von Ihren individuellen Wünschen und Zielen ab.
Je nachdem kommen ganz unterschiedlichen Praxisformen infrage:
Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)
Diese Praxisform ist vor allem unter dem Begriff "Gemeinschaftspraxis" geläufig, nennt sich aber eigentlich „Berufsausübungsgemeinschaft“. Hier werden alle Bestandteile der Berufsausübung geteilt: Räume, Geräte, Personal, aber auch Patientenstamm und -daten, Abrechnung und Haftung. Alle Gesellschafter:innen treten nach außen hin als Einheit auf. Es existiert nur eine Abrechnungsnummer für erbrachte Leistungen und für mögliche Fehler in der Behandlung eines Partners bzw. einer Partnerin haften alle Ärzte und Ärztinnen der BAG.
Dennoch gibt es in der Ausgestaltung einer Berufsausübungsgemeinschaft verschiedene Möglichkeiten:
- fachgleich oder fachübergreifend
- örtlich auf eine Praxis beschränkt oder überörtlich an mehreren Standorten
- 50 / 50 , individuelle Aufteilung oder Teil-BAG (nur bestimmte Leistungsbereiche werden gemeinsam angeboten)
Um Konflikte, z. B. bezüglich der Gewinnverteilung, zu vermeiden, sollten alle Regelungen präzise im Gesellschaftsvertrag festgehalten werden.
Vorteile der Berufsausübungsgemeinschaft
- geteilte Kosten
- geteiltes Risiko
- enger Austausch
- Aufgabenteilung nach eigenen Interessen möglich
Nachteile der Berufsausübungsgemeinschaft
- gemeinsame Haftung
- enge Absprachen und Zusammenarbeit nötig
- Genehmigung durch Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung nötig
Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)
Ein „Medizinisches Versorgungszentrum“ ist eine Sonderform der Berufsausübungsgemeinschaft. Es wird von einem oder mehreren Ärzten bzw. Ärztinnen geleitet. Neben der Leitung sind im MVZ in das Arztregister eingetragene Ärzte und Ärztinnen verschiedener Fachrichtungen in Anstellung oder als Vertragspartner:innen tätig .
Die Tätigkeit in einem MVZ gestaltet sich meist weniger komplex als es die Erklärung des Begriffs vermuten lässt. Ein großer Vorteil vielen MVZ-Ärzte und -Ärztinnen zufolge, ist die freie berufliche Entfaltung. Nach dem MB Monitor Niedersachsen 2022 verbringt ein Drittel aller Befragten mindestens 4 Stunden pro Tag mit Verwaltungstätigkeiten. Bürokratie spielt in vielen MVZs dank eines Praxismanagers bzw. einer Praxismanagerin dagegen eine untergeordnete Rolle. Deshalb bleibt mehr Zeit für andere Tätigkeiten.
Individuelle Arbeitsverträge, etwa in einem 30-Stunden-Modell, sollen die Möglichkeit geben, den Fokus rein auf die Behandlung der Patienten und Patientinnen, Weiterbildung oder Neuorientierung zu legen. Flexibilität gibt es auch in Hinsicht auf breitere Öffnungszeiten, individuell abgestimmte Hausbesuche oder auch die Einrichtung einer Akutsprechstunde. Zudem ist die Übergabe eines MVZ an eine(n) Nachfolger:in meist einfacher.
Die Vorteile eines MVZs
- Hohe Flexibilität
- Selbstverwirklichung möglich
- Eigene Mitarbeiter:innen für Bürokratie und Verwaltung
- Einfacher Führungswechsel / Übergabe an Nachfolger:innen
- Neben Ärzten und Ärztinnen können auch Leistungserbringer wie Krankenhäuser oder Kommunen ein MVZ gründen
- Unbegrenzte Zahl an Angestellten pro Vertragsarzt oder Vertragsärztin möglich
Die Nachteile eines MVZs
- Vorgaben von ärztlicher Leitung müssen eingehalten werden (Öffnungszeiten, Urlaub, etc.)
- Keine Selbstständigkeit, sondern Angestelltenverhältnis oder
- Ärztliche Leitung trägt viel Verantwortung und übernimmt Organisationsaufwand
Praxisgemeinschaft
Um Kosten zu sparen, gründen viele Ärzte und Ärztinnen eine Praxisgemeinschaft. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Verbindung zweier eigenständiger Praxen. Praxisräume, technische Geräte und das Personal werden, vorausgesetzt es handelt sich um die gleiche Fachrichtung, geteilt. Alle anderen wirtschaftlichen Belange werden getrennt bearbeitet, wie etwa das Abrechnen von Leistungen, Einnahmen, Außendarstellung oder Marketing. Auch die Patientenstämme bleiben getrennt.
Vielen Ärzte und Ärztinnen ist diese Unabhängigkeit der Gesellschafter:innen wichtig, da die Entscheidungsfreiheit zu jeder Zeit in vollem Umfang erhalten bleibt. Anders als bei einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), haften Ärzte und Ärztinnen einer Praxisgemeinschaft nicht für Behandlungsfehler des anderen. Zudem ist eine Trennung jederzeit möglich.
Vorteile einer Praxisgemeinschaft
- geteilte Kosten
- Eigenständigkeit
- wenige Absprachen mit Partner:innen nötig
- Kassenärztliche Vereinigung muss nur informiert werden (Keine Zulassung nötig)
Nachteile einer Praxisgemeinschaft
- Außendarstellung muss klar getrennt sein
- Datenschutz zwischen den Partner:innen sehr wichtig
- Patientenstamm darf sich nicht zu sehr überschneiden
Apparategemeinschaft
Wer seine eigene Praxis führen möchte, braucht Zugang zu den dafür nötigen Apparaten. Das kann sehr teuer werden. Zudem ist die Auslastung oft ein Problem. Alleine können Sie eventuell gar nicht ausreichend Untersuchungen durchführen, damit sich ein Gerät lohnt. Hier bietet sich eine Apparategemeinschaft an. Die Partner:innen schließen einen Vertrag und teilen sich die entsprechenden medizinischen Apparate. Dazu gehören die Anschaffungskosten, die Wartung und Reparaturen. Manchmal werden dafür gemeinsame Räumlichkeiten angemietet. Ansonsten führen sie weiter eine eigenständige Praxis.
Vorteile einer Apparategemeinschaft
- geteilte Kosten
- geteilte Auslastung
- hohe Eigenständigkeit
Nachteile einer Apparategemeinschaft
- voller Verwaltungsaufwand und Bürokratie
- klare Regelungen für Aufwand, Kosten und Nachfolge nötig
Was zeichnet eine Einzelpraxis aus?
So verlockend sich geregelte Arbeitszeiten auch anhören mögen, das ultimative Maß an Freiheit besteht nach wie vor nur in der eigenen Einzelpraxis. Insgesamt geht die Zahl der Einzelpraxen laut Kassenärztlicher Vereinigung zwar stark zurück. Dennoch sind sie weiterhin die häufigste Praxisform. Sei es bezüglich der Praxisräume, Leistungen oder des Personals: Wer wirklich freie Hand bezüglich der Gestaltung der Praxis möchte, ist mit einer Einzelpraxis gut beraten.
Anders als in einer BAG oder MVZ können Sie Sprechstundenzeiten und Urlaubstermine ohne Absprache oder Diskussionen festlegen. Dafür bleibt Verwaltung und Bürokratie ebenfalls in Ihrer Hand. Vom Praxismarketing über Personalführung bis zur Organisation einer Vertretung - als Praxisinhaber:in sind Sie für alles alleine verantwortlich.
Vorteile einer Einzelpraxis
- freie Entscheidungsgewalt
- hohe Eigenständigkeit
- einfacher Führungswechsel / Übergabe an Nachfolger:innen
- keine Haftung für andere
Nachteile einer Einzelpraxis
- kein fachlicher Austausch
- Kosten müssen alleine getragen werden
- Hoher Bürokratie- und Verwaltungsaufwand
Sonderform Praxisnetz
Das Praxisnetz bietet eine weitere Form der Zusammenarbeit für alle Praxisformen. Hier schließen sich Vertragsärzte und ärztinnen, Psychotherapeuten bzw. -therapeutinnen und auch andere Gesundheitsberufe oder stationäre Einrichtungen zusammen. Gemeinsam möchten sie Patienten und Patientinnen umfassend und ortsnah betreuen.
Die Partner:innen können sich fachlich austauschen, gemeinsame Qualitätsstandards festlegen und sich auch in einzelnen Bereichen, etwa dem Marketing unterstützen. Gleichzeitig bleiben Sie aber eigenständig und unabhängig voneinander.
Beitrag aktualisiert am 15.03.2024.
Quellen:
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IWW Institut: Besonderheiten der Praxisgemeinschaften, https://www.iww.de/pfb/steuergestaltung/kooperationen-besonderheiten-der-praxisgemeinschaften-f95967, aufgerufen am 04.03.2024.
-
Kassenärztliche Bundesvereinigung: Immer weniger Einzelpraxen, https://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/17020.php, aufgerufen am 04.03.2024.
-
Kassenärztliche Bundesvereinigung: Ärztemonitor 2018, https://www.kbv.de/media/sp/infas_Praesentation_Aerztemonitor-2018_LANG.pdf, aufgerufen am 04.03.2024.
-
Bundesgesundheitsministerium: Medizinisches Versorgungszentren (MVZ), https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/ambulante-versorgung/medizinische-versorgungszentren/, aufgerufen am 04.03.2024.
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Ärzteblatt: Ärztliche Kooperationsformen - Vielfältige Möglichkeiten, https://www.aerzteblatt.de/archiv/175200/Aerztliche-Kooperationsformen-Vielfaeltige-Moeglichkeiten, aufgerufen am 04.03.2024.
-
Bundesverband der Arzt-, Praxis- und Gesundheitsnetze: Welche Kooperationsformen gibt es?, https://www.arztnetze.info/praxisnetzwerke/welche-kooperationsformen-gibt-es, aufgerufen am 04.03.2024.
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Kassenärztliche Vereinigung Bayerns: Einzelpraxis oder Kooperation?, https://www.kvb.de/mitglieder/praxisfuehrung/einzelpraxis-oder-kooperation/, aufgerufen am 04.03.2024.
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