Aktualisiert: 25.10.2025 | Lesezeit: 4 Minuten
Physiotherapie ist bei Osteoporose wichtig, sollte aber auch richtig ausgeführt werden.
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Physiotherapie ist ein wichtiges Puzzleteil in der Osteoporose Therapie. Doch nicht jede Übung ist für jede(n) geeignet. Besonders der Zeitpunkt und die Reihenfolge der Maßnahmen sind wichtig, so Psychotherapeutin Gabriele Kiesling. Sie war von Anfang an bei der Entwicklung der physiotherapeutischen Therapien für Osteoporose dabei und hat Ihre Erkenntnisse für Ihr Buch „Osteoporose – Physiotherapie für starke Knochen: Über 100 Übungen und Maßnahmen gegen Schmerzen und Bewegungsstörungen“ noch einmal mit heutigen Erkenntnissen aufgefrischt.
Welche Übungen sie besonders empfiehlt und was Sie dabei beachten sollten, hat Gabriele Kiesling im Interview erklärt.
ÄRZTE.DE: In den 1980er Jahren haben sie die ersten physiotherapeutischen Therapien für Osteoporose entwickelt. Was hat sich im Vergleich zu damals in der heutigen Therapie verändert?
Gabriele Kiesling: Seinerzeit bestand sehr große Unsicherheit bezüglich des neuen Krankheitsbildes der Osteoporose. Mit meinem Fachwissen aus der Biomechanik und der PNF Methode habe ich mit Prof. Keck und Prof. Kruse ein Fachbuch zu Physiotherapie für Osteoporose-Betroffene geschrieben. Darüber hinaus habe ich deutschlandweit die Gruppenleiterinnen des Deutschen Roten Kreuzes und die des Bundesselbsthilfeverbandes für Osteoporose ausgebildet. Anschließend habe ich mich nicht mehr dazu geäußert, da ich keine Veranlassung dazu sah.
Bei meiner Recherche vor zwei Jahren stellte ich eine erstaunliche Veränderung in den Leitlinien und Grundsätzen für „Osteoporose-Gymnastik“ fest. Plötzlich wurde wieder Isometrie und Maximalkrafttraining propagiert. Schon die Bezeichnung Gymnastik/ Turnen ist meiner Meinung nach nur zutreffend bei Osteopenie, der Vorstufe zur Osteoporose. Eine medizinische Diagnose braucht zwingend eine schulmedizinische Physiotherapie.
Daher habe ich nun nach 40 Jahren erneut ein Buch zu diesem wichtigen Thema geschrieben.
ÄRZTE.DE: Gibt es auch Aspekte, die sich seitdem bewährt haben?
Gabriele Kiesling: Immer wichtig sind die physiotherapeutischen Aktivitäten im täglichen Leben um auch der altersbedingten Sarkopenie entgegen zu wirken. Richtiges Aufstehen aus dem Bett, physiologisches Sitzen, Heben, Bücken und Stehen scheinen auf den ersten Blick nicht so bedeutsam. Sie machen aber die meiste Zeit des Tages aus. Oft frage ich mich: Was nützt die ausschließlich Gruppenteilnahme über 60 Min. pro Woche in einer Gruppe?
Die richtige Übungsreihenfolge entscheidet über den Erfolg
ÄRZTE.DE: Die Übungsreihenfolge ist nach dem Kiesling Konzept besonders wichtig. Wie sollte diese aussehen?
Gabriele Kiesling: Im ersten Schritt sollten immer Schmerzen reduziert oder sogar ganz eingedämmt werden. Viele Ratgeber empfehlen Osteoporose-Betroffenen Kräftigungs- und Dehnübungen. Doch bleiben die Stabilisation und Schmerzbehandlung davor aus, werden Behandlungserfolge gleich wieder zunichte gemacht. Zunächst müssen die Gelenkblockierungen gelöst werden, dann kann im Anschluss der Knochen trainiert und gestärkt werden.

ÄRZTE.DE: Was kann zur Schmerzreduktion bei Osteoporose beitragen?
Gabriele Kiesling: Meine Empfehlung ist die tägliche Entlastungslagerung mittags und abends 15 Minuten zur Regeneration.

Hinzu ganz leichte Mobilisationsübungen und Faszienlösung durch Unterdruck beispielsweise mit einem Biosilikon-Cup.
ÄRZTE.DE: Welche Übungen zum Krafttraining bei Osteoporose empfehlen Sie im Anschluss?
Gabriele Kiesling: Zur Kräftigung der autochthonen Rückenmuskeln empfehle ich Übungen auf einem Balance-Pad. Auch das Gehen mit Gewichtmanschetten ist ein gutes Krafttraining.
Entscheidend ist eine gute Myofasziale Balance zu erhalten durch fachkundige Dehnübungen. Mir ist Kraftausdauer- und Schnellkrafttraining wichtiger als das ausschließliche Maximalkrafttraining.
Zu oft sehe ich dann Frauen mit einem manifesten osteoporotischen Rücken in ungünstigen Ausgangsstellungen Gewichte stemmen. Hier besteht dann eine akute Frakturgefahr. Daher ist Maximalkrafttraining eher gut zur Prophylaxe bei noch guter Knochendichte und Knochenmasse.
ÄRZTE.DE: Können Betroffene auch etwas im Alltag tun, um die Physiotherapie bei Osteoporose zu unterstützen?
Gabriele Kiesling: Den lieben langen Tag können wunderbare Übungen aus meinem Programm: „Physiotherapie für zu Hause“ im Alltag gemacht werden. Da gibt es beispielsweise die Aufstützübung auf einem Sessel mit zwei Lehnen zur Traktion der Wirbelsäule; oder die gesunde Kniebeuge mit dem Rücken an der Wand zur physiologischen Kräftigung der Bein-und Gesäßmuskulatur und vieles mehr.

ÄRZTE.DE: Nach so vielen Jahren Erfahrungen in der Physiotherapie bei Osteoporose: Welchen Rat geben Sie allen Betroffenen mit auf den Weg?
Gabriele Kiesling: Bleiben Sie in der richtigen, gesunden Bewegung und haben Sie Freude an Fortschritten in Bezug auf starke Knochen und kräftige Muskeln.
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