Online-Arzt-Plattformen – was sagt das Gesetz dazu?

Unsere Welt wird zunehmend digitaler, was sich auch in der Gesundheitsbranche bemerkbar macht und diesbezüglich gilt es den Begriff Telemedizin zu nennen. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff, der ärztliche Versorgungskonzepte in den Bereichen Diagnostik, Therapie sowie Rehabilitation umfasst. Die Besonderheit liegt darin, dass besagte Konzepte über räumliche Entfernungen erbracht werden. Ein Beispiel für ein solches Konzept wären sogenannte Online-Arzt-Plattformen. Es gibt immer mehr Deutsche, die entsprechende Plattformen nutzen, um eine Beratung in Anspruch zu nehmen und sich Medikamente verschreiben zu lassen. Doch was sagt eigentlich das Gesetz dazu?

Deutsche Ärzte haben aufgrund der Rechtslage mit Einschränkungen zu kämpfen

Zwar gibt es zahlreiche Deutsche, die eine Online-Arztberatung bei Erektionsproblemen oder anderen Beschwerden in Anspruch nehmen, aber medizinische Leistungen über das Internet sind hierzulande nach wie vor ein heikles Thema. Grundsätzlich können Ärzte nur dann Online-Behandlungen anbieten und Medikamente verschreiben, wenn sie zuvor mindestens einmal persönlichen Kontakt zu ihren Patientinnen und Patienten gehabt haben. Das geht aus § 48 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Arzneimittelgesetzes hervor:

„Eine Abgabe von Arzneimitteln, die zur Abgabe an Menschen bestimmt sind, darf nicht erfolgen, wenn vor der ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung offenkundig kein direkter Kontakt zwischen dem Arzt oder Zahnarzt und der Person, für die das Arzneimittel verschrieben wird, stattgefunden hat. Hiervon darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, insbesondere, wenn die Person dem Arzt oder Zahnarzt aus einem vorangegangenen direkten Kontakt hinreichend bekannt ist und es sich lediglich um die Wiederholung oder Fortsetzung der Behandlung handelt.“

Ist das nicht der Fall, sind entsprechende Beratungsangebote entweder illegal oder sie befinden sich in einer Grauzone. Zudem muss eine sichere und verschlüsselte Verbindung zwischen Arzt und Patient gewährleistet sein. Allerdings heißt das nicht, dass Deutsche auf eine ärztliche Beratung im Internet verzichten müssen. Die verschiedenen Online-Arzt-Plattformen gibt es schließlich nicht ohne Grund und im Regelfall handelt es sich fast immer um legale Konzepte. Außerdem gibt es einige rechtliche Besonderheiten, die hervorgehoben werden sollten.

Patienten in Deutschland können sich legal im Internet beraten lassen

Obwohl Online-Arzt-Plattformen in Deutschland gewissen Einschränkungen unterliegen, müssen Patientinnen und Patienten nicht auf sie verzichten, denn die Berufsverordnung erstreckt sich nur auf Ärzte, die in Deutschland tätig sind. Um das besser zu verstehen, sollten wir einen näheren Blick auf Art. 3 RL 2011/24/EU werfen:

„(...) Im Fall der Telemedizin gilt die Gesundheitsversorgung als in dem Mitgliedsstaat erbracht, in dem der Gesundheitsdienstleister ansässig ist.“

Dieser Artikel stammt aus der EU-Richtlinie zur Patientenmobilität und er zeigt, dass Patientinnen und Patienten aus Deutschland telemedizinische Leistungen auf Online-Arzt-Plattformen ohne Bedenken nutzen können, sofern die auf den Plattformen agierenden Ärzte nicht aus Deutschland stammen. Theoretisch ist sogar eine Behandlung in einem anderen EU-Mitgliedstaat möglich und die Kosten werden – bis zu einer im Inland gängigen Höhe – von heimischen Krankenkassen erstattet. Einige EU-Länder wie die Niederlande und Großbritannien sind in puncto Telemedizin weiter als Deutschland und Dienstleistungen einiger medizinischer Bereiche können online angeboten werden, weswegen viele Online-Arzt-Plattformen aus diesen Ländern stammen. Es ist in jedem Fall eine gute Sache, dass diese Möglichkeit besteht, denn viele Patientinnen und Patienten ziehen gerade bei Tabuthemen wie Erektionsstörungen, Geschlechtskrankheiten und Verhütung eine Beratung im Internet vor, was nachvollziehbar und in einem medizinisch vertretbaren Rahmen möglich ist. Zudem gilt laut § 7 Abs. 4 MBO-Ä i. d. F. des 121. Deutschen Ärztetags 2018:

„Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist (...). Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen.“

In Deutschland ist eine ausschließliche Fernbehandlung also nur dann möglich, wenn der Einzelfall geprüft wird, da eine entsprechende Behandlung aus rechtlicher Sicht nicht für jeden Fall geeignet ist. Die „ärztliche Vertretbarkeit“ liegt jedoch in der Verantwortung des jeweiligen Arztes, weswegen weitgehend Entscheidungsfreiheit besteht. Es ist ohnehin davon auszugehen, dass sich Deutschland in den kommenden Jahren im Bereich der Telemedizin weiterentwickeln wird. Der digitale Wandel lässt sich schließlich nicht aufhalten und das Potenzial der Telemedizin ist enorm. Ganz zu schweigen davon, dass elektronische Rezepte in anderen Ländern bereits ein gängiger Standard sind.

Nicht alle Online-Arzt-Plattformen sind zu empfehlen

Bei medizinischen Dienstleistungen handelt es sich immer noch um Dienstleistungen und infolgedessen kann die Qualität der Behandlung variieren. Zum einen hängt das vom Arzt ab, zum anderen von der Online-Arzt-Plattform. Nicht jeder Anbieter ist zu empfehlen und manche Plattformen im Internet haben berechtigterweise einen schlechten Ruf. Sollte das der Fall sein, ist es besser, sich nach einer Alternative umzusehen. Glücklicherweise gibt es bereits jetzt genügend Anbieter, die zur Verfügung stehen, darunter auch einige etablierte Online-Arzt-Plattformen. Meistens reicht ein Blick auf die Rezensionen von Kundinnen und Kunden aus, um sich einen Überblick über die jeweilige Plattform zu verschaffen, aber auch die Testergebnisse von renommierten Anlaufstellen wie der Stiftung Warentest können wichtige Erkenntnisse liefern.

Gefälschte Medikamente aus dem Internet stellen ein Risiko dar

Das Problematische an Online-Arzt-Plattformen ist, dass nicht alle Anbieter seriös agieren und in Einzelfällen kann das sogar gefährlich werden. Grundsätzlich sind entsprechende telemedizinische Angebote zwar gut, aber es lässt sich nicht bestreiten, dass es einige schwarze Schafe gibt und manchmal werden sogar gefälschte Medikamente verschrieben. Bei einer gefälschten Salbe für eine Krankheit wie Neurodermitis ist das zwar nicht unbedingt problematisch, aber gefälschte Antibiotika oder vergleichbare Medikamente bergen ein erhebliches Risiko. Nach Schätzungen der WHO handelt es sich bei etwa der Hälfte der Medikamente im Internet um Fälschungen oder Medikamente mit abgelaufenem Verfallsdatum – eine erschreckende Zahl. Zumal sich Fälschungen mit bloßem Auge nur schwer erkennen lassen, da manipulierte Beipackzettel und Verpackungen gängig sind. Fälschungen führen jedes Jahr weltweit zum Tod von etwa eine Millionen Menschen und wer Medikamente aus dem Internet bestellt, sollte infolgedessen vorsichtig sein und sich ausschließlich an vertrauenswürdige Online-Arzt-Plattformen halten.

Vorteile und Zukunft der Telemedizin

Obwohl Deutschland in Sachen Telemedizin alles andere als ein Vorreiter ist, spielt die digitale Zukunft der Gesundheitsindustrie in der Politik eine große Rolle und unter anderem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat mehrfach geäußert, dass er der Telemedizin positiv gegenübersteht. Das ist nachvollziehbar, denn die Telemedizin bringt vier entscheidende Vorteile mit sich:

  1. Nutzerfreundlichkeit,
  2. geringere Kosten,
  3. Zugänglichkeit und
  4. Zeitersparnis.

Die Nutzerfreundlichkeit äußert sich nicht nur dadurch, dass digitale Telemedizin-Angebote einfach gehalten sind und somit selbst Laien die Möglichkeit haben, auf sie zurückzugreifen, sondern auch Ärzte profitieren von ihr. Es braucht beispielsweise nur wenige Klicks, um über eine elektronische Akte alle Daten über einen bestimmten Patienten einsehen zu können.

Des Weiteren ist die Telemedizin eine Lösung für viele Probleme, die es aktuell in der Gesundheitsbranche gibt. Unter anderem die Situation in ländlichen Regionen ist nach wie vor problematisch und selbst in Deutschland herrscht an vielen Orten immer noch ein Mangel an Ärzten. Das ist gerade im Ernstfall kritisch und nicht selten ein Grund für Todesfälle, die durch eine bessere Gesundheitsversorgung vermieden hätten werden können. Immer wieder klagen chronisch Kranke über Ärztemangel und lange Anfahrtswege – die Telemedizin kann das lösen. Durch Online-Arzt-Plattformen können Patientinnen und Patienten Wege und Zeit sparen, wodurch sich die medizinische Versorgung sicherstellen und verbessern lässt. Da dadurch sowohl der bürokratische als auch zeitliche Aufwand reduziert wird, sinken zudem die Kosten für Patienten. Ganz zu schweigen davon, dass die Telemedizin zu einer Entlastung von Ärztinnen und Ärzten führen kann. Die digitalen Konzepte haben also das Potenzial, die Gesundheitsbranche von Grund auf zu revolutionieren.

Risiken und Grenzen der Telemedizin

Das Potenzial der Telemedizin dürfte außer Frage stehen, aber es lässt sich nicht bestreiten, dass es auch Risiken gibt. Die räumliche Distanz zum Patienten sehen viele Ärztinnen und Ärzte und medizinische Experten kritisch, da der persönliche Kontakt ein Standard sein sollte. Diese Kritik ist nicht unbegründet, denn es ist nun einmal Tatsache, dass sich manche Krankheiten nur schwer aus der Ferne diagnostizieren lassen. Manchmal ist schlicht und einfach der Kontakt zu Patienten erforderlich, um eine bestimmte Krankheit zu erkennen oder ein auf den individuellen Fall zugeschnittenes Behandlungskonzept zu entwickeln. Das gilt jedoch nicht für alle Erkrankungen und Probleme wie Potenzstörungen aus der Ferne zu behandeln, ist durchaus plausibel. Maßnahmen wie das Abnehmen von Blut oder Urin sind jedoch schlecht möglich und das kann in einer schlechteren Behandlung resultieren.

Zudem ist es nun einmal so, dass die Telemedizin nicht alle Lücken unseres Gesundheitssystems schließen kann. Online-Arzt-Plattformen sind zwar eine gute Ergänzung, aber manche Probleme lassen sich durch Telemedizin nur schwer beheben. Kritisch ist beispielsweise das Thema Wartezeiten. Immer wieder wird damit geworben, dass es online keine oder nur geringe Wartezeiten gibt, was jedoch nicht immer der Realität entspricht. Unter anderem Facharzttermine und Therapieplätze sind trotz der Angebote im Internet nach wie vor oft mit langen Wartezeiten verbunden. Zudem ist die Datensicherheit weiterhin ein schwieriges Thema, da viele Ärztinnen und Ärzte nicht über die nötige digitale Infrastruktur verfügen, um ihren Patientinnen und Patienten stabile Verbindungen und sicher verschlüsselte Datenübertragungen zu garantieren. Da es sich um äußerst sensible Daten handelt, ist das aber ein Muss. Ein weiteres Problem könnte sein, dass Patientinnen und Patienten wie Hypochonder ihren Arzt noch häufiger kontaktieren, da eine Kontaktaufnahme via Chat äußerst bequem ist.

Telemedizin in Deutschland – es besteht Nachholbedarf

Obwohl Online-Arzt-Plattformen dank der EU-Richtlinie zur Patientenmobilität deutschlandweit genutzt werden können und wir hierzulande Zugriff auf Telemedizin-Dienstleistungen haben, lässt sich nicht leugnen, dass bei der Telemedizin in Deutschland Nachholbedarf besteht. Bisweilen ist das Angebot in Deutschland weit weniger umfangreich als in anderen Ländern wie Großbritannien oder der Schweiz. In Großbritannien ist es beispielsweise ganz normal, sich Rezepte online verschreiben zu lassen und jeder dritte Patient in der Schweiz, der einen Arzt per Videosprechstunde kontaktiert, benötigt danach keine weitere Behandlung. Die Konzepte haben Erfolg und sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Patientinnen und Patienten profitieren.

Bis eine vergleichbare Situation in Deutschland eintritt, wird es voraussichtlich noch einige Jahren brauchen, aber mit dem Voranschreiten der Digitalisierung dürfte sich die Situation grundlegend verändern. Voraussichtlich wird dabei auch der 5G-Netzausbau eine große Rolle spielen. Sobald 5G zur Verfügung steht, liegt die nötige digitale Infrastruktur vor, um Telemedizin-Projekte wie Operationen aus der Ferne durchzuführen. Entsprechende Operationen sind bisweilen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern unvorstellbar, aber sobald 5G zum weltweiten Standard wird, dürfte das nicht mehr der Fall sein. Das Problem bei Fernoperationen durch den Einsatz von Extended Reality ist bisweilen nur, dass kein stabiles Internet zur Verfügung steht und bereits kurze Ausfälle letale Folgen haben. Mit dem weltweiten Ausbau von 5G dürfte dieses Problem nicht mehr bestehen und insbesondere Menschen in ländlichen Regionen können davon profitieren.

Schulungen essenziell für den digitalen Wandel

Damit digitale Konzepte in der Gesundheitsbranche umgesetzt werden können, braucht es Angebote, die Ärztinnen und Ärzte, sowie Patientinnen und Patientenh darauf vorbereiten, da technische Hürden vorliegen und sich nicht jeder damit zurechtfindet. Ärztinnen und Ärzte benötigen beispielsweise spezielle Schulungen, um über aktuelle Gesetze und Möglichkeiten Bescheid zu wissen. Bei Patientinnen und Patienten ist das nicht anders, wobei insbesondere ältere Patientinnen und Patienten im Fokus stehen sollten. Viele ältere Menschen kennen sich mit Technik nicht allzu gut aus, weswegen sogar die nutzerfreundlichste Online-Arzt-Plattform eine Hürde darstellen kann. Aktuell gibt es jedoch nur wenige vergleichbare Bildungsangebote, aber damit die Telemedizin in Deutschland voranschreiten kann, werden wir uns diesbezüglich weiterentwickeln müssen.

Online-Arzt-Plattformen werden sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln

Bereits jetzt helfen Online-Arzt-Plattformen vielen Patientinnen und Patienten und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in zahlreichen anderen Ländern. Allerdings stoßen die Plattformen noch immer auf Grenzen, die sich aktuell nicht bewältigen lassen. Die Gründe hierfür können vielfältiger Natur sein, aber meistens hängen sie mit beschränkten technischen Möglichkeiten zusammen. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass sich Online-Arzt-Plattformen in den kommenden Jahren weiterentwickeln werden, da der digitale Wandel stetig voranschreitet und auch wenn Deutschland diesbezüglich noch etwas hinterherhinkt, werden bereits landesweit digitale Projekte realisiert. Mit dem Ausbau von 5G, der Optimierung von Extended Reality und der besseren Verarbeitung von Big Data wird die Telemedizin einen Wandel durchlaufen. Es gibt jedoch noch zahlreiche weitere Technologien, die von Bedeutung sind und die Online-Arzt-Plattformen der Zukunft werden sich womöglich stark von den heutigen unterscheiden. Damit der Wandel gelingt, müssen jedoch die aktuellen Probleme angegangen werden und unter anderem bezüglich der Sicherheit von Daten darf es in Zukunft keine Zweifel mehr geben.

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