Guter Schlaf –eine Frage der Einstellung

8 Fragen an den Schlafspezialisten Dr. Chris Winter                                                                                                 Dr. med. Chris Winter

Der Neurologe Dr. med. Chris Winter gilt als international renommierter Schlafspezialist. Sein aktuelles Buch „Müde war gestern – Wie du deine Schlafstörung selbst behandelst und wieder Schlaf findest“ ist ein gelungenes Beispiel für einen einzigartigen Umgang mit den Themen „Schlaf“ und „Schlafprobleme“. Auf ermutigende Art und Weise zeigt er den Lesern einen pragmatischen Weg mit ihrem Schlaf umzugehen und ihn wertzuschätzen. Dr. Winter resümiert schließlich mit dem Versprechen, dass guter Schlaf mit etwas Geduld für jeden möglich ist.

ÄRZTE.DE: In Ihrem Buch „Müde war gestern“ fordern Sie den Leser auf zu erkennen, dass, auch wenn es sich oft nicht so anfühlt, jeder schläft. Ist die Überwindung von Schlafproblemen also letztlich eine Frage der Einstellung?

Dr. Winter: Unsere Gedanken, Stimmungen und Einstellungen spielen eine große Rolle in unserem Schlaf und auch in unserer Wahrnehmung und Interpretation unseres Schlafes. Es ist wichtig, das zu verstehen, weil es eine Grundlage der Wahrheit bietet, aus der wir Rat und Hilfe für unsere Schlafprobleme suchen. „Ich schlafe nie“ oder „Ich kann nicht schlafen“ sind beides unwahre Aussagen. Um Hilfe leisten zu können, brauchen wir sachliche Informationen. Um gut anfangen zu können, brauchen wir Fakten und eine aufgeschlossene Einstellung, um unsere Schlafprobleme korrigieren zu können.

ÄRZTE.DE: Zu Beginn Ihres Buches nennen Sie Ernährung, Sport und Schlaf als drei wesentliche Schritte unsere Gesundheit zu beeinflussen. Viele Menschen schätzen Schlafentzug aber als unwichtig ein und bringen ihn nur selten mit Krankheiten in Verbindung. Wie könnte man das ändern?

Dr. Winter: Ich denke, dass sich die Meinung, dass Schlafstörungen eine Ursache für schlechte Gesundheit sind, dann in den Köpfen der Menschen ändern wird, wenn dieser Zusammenhang auch in den Medien aufgegriffen wird. Ärzte müssen ihre Patienten über Schlaf beraten, wenn sie zu ihnen in die Praxis kommen. Neben der Frage „Treiben Sie Sport?“ sollte auch gefragt werden: „Bemühen Sie sich um gesunde Schlafgewohnheiten?“. Beide Fragen sind gleichermaßen wichtig.

ÄRZTE.DE: Um Sie zu zitieren: „Schlaf ist nicht die Abwesenheit von ´Wachsein´. – Der Körper leistet erstaunliche Dinge, während man schläft.“ Wie meinen Sie das?

Dr. Winter: Viele Menschen denken an Schlaf wie ein Licht, das ausgeschaltet wurde. Er ist aber vielmehr wie ein Licht, welches von grellem Weiß zu einem sanften Tiefblau übergegangen ist – sozusagen ein anderer Zustand des Seins, in dem immer noch wichtige Dinge getan werden. Wenn man das versteht, hilft das zu erkennen, wie wichtig Schlaf für unsere Gesundheit ist.

ÄRZTE.DE: Wie stehen Sie zum Thema Lichtbiologie und Schlaf? Die Lichtbiologie vermutet, dass auch das Tageslicht für unseren Schlaf eine große Rolle spielt. Sehen Sie in diesem Zusammenhang Therapiemöglichkeiten, die bislang noch nicht ausreichend genutzt werden?

Dr. Winter: Ich sehe da in der Tat ungenutzte Möglichkeiten. Licht kann unserem Schlaf helfen und es gibt nun auch Unternehmen, die daran arbeiten, dies zu nutzen. Viele Fluglinien, mit denen ich fliege, nutzen mittlerweile auch blaue und rote Beleuchtung, um den Jetlag bei ihren Fluggästen zu reduzieren.

ÄRZTE.DE: „Schlaf lässt sich nicht nachholen.“, diese Meinung ist weit verbreitet. Stimmt das?

Dr. Winter: Jüngst veröffentlichte Forschungsergebnisse aus Kanada legen nahe, dass wir verlorenen Schlaf wettmachen können, solange wir es relativ schnell tun.

ÄRZTE.DE: Welchen Rat geben Sie jungen Eltern, insbesondere Müttern, die zumindest für ein paar Jahre nichts an ihren schlechten Schlafumständen ändern können?

Dr. Winter: Mutter zu sein ist ein harter Job. Der anstrengende Alltag schafft oft ein besonders starkes Verlangen nach ausreichend Schlaf, um der Aufgabe gewachsen zu sein. Aber Kinder haben nun einmal ihren eigenen Schlafrhythmus und das macht es schwer. Wenn Eltern dann schon mit dem Druck unbedingt schlafen zu müssen ins Bett gehen, verkompliziert dies den Schlaf ungemein. Jeder, aber vor allem Mütter, sollte hart daran arbeiten, dies zu verhindern.

ÄRZTE.DE: Viele Touristen leiden im Urlaub ziemlich unter Jetlag. Welchen Rat würden Sie ihnen geben?

Dr. Winter: Ich denke, dass vor allem eine richtige Planung vor der Reise und einer Vorbereitung für das Schlafen im Flugzeug, wie etwa Schlafmaske, Ohrenstöpsel, Kissen und Decke hilfreich sind. Damit sollte es gut klappen! Nutzen Sie außerdem „Online Jetlag Rechner“. Sie helfen wirklich!

ÄRZTE.DE: Ihr ist Buch gespickt mit unterhaltsamen Anekdoten aus Ihrer langjährigen Erfahrung als Arzt. Welche ist Ihre Liebste und weshalb?

Dr. Winter: Mein Favorit unter den Anekdoten ist die über eine Frau, die aggressiv darauf bestand, dass sie nicht schlafen kann. Selbst nachdem eine Schlafstudie samt Video zeigte, dass sie schlief und dass sogar für sechs Stunden am Stück. Ihr hartnäckiger Glaube daran, dass sie wirklich nicht schläft, war für mich sehr aufschlussreich. Als ich diesen Kernglauben infrage stellte, war ihre Feindseligkeit schockierend. „Ich wusste, dass Sie zu jung sind, um ein Arzt zu sein!“, schrie sie mir entgegen, als sie hinauslief, gefolgt von ihrem unglücklichen Ehemann, der mir noch stumm um Entschuldigung bat, als sie gingen. Ich erinnere mich daran, dass ich mir dachte, wie schwer es sein musste, ihr Ehemann zu sein und stets zuhören zu müssen, wie sie über ein Problem lamentierte, welches es eigentlich gar nicht gab. Ich hoffte, noch in dem Moment, in dem sie ging, dass er den Mut haben würde zu sagen: „Der Arzt hat recht, meine Liebe. Du schläfst. Ich sehe es jede Nacht.“ Er fand ihn leider nicht. Ich vermute also, dass sie nun in einer anderen Arztpraxis sitzt und jemanden sucht, der ihre Schlaflosigkeit heilen kann.

Buchcover Dr. med. Chris Winter

Dr. med. Chris Winter - Müde war gestern -

      erschienen im riva Verlag 

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