Digitalgesetz (DigiG): Damit soll die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Fahrt kommen

Mit dem Digitalgesetz soll die Gesundheitsversorgung endlich in unserem digitalen Alltag ankommen.
Mit dem Digitalgesetz soll die Gesundheitsversorgung endlich in unserem digitalen Alltag ankommen. | © eakgrungenerd - stock.adobe.com

Warum läuft es bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens in anderen Ländern deutlich besser als in Deutschland? Ein Grund könnte sein, dass Patienten und Patientinnen, aber auch Ärzte und Ärztinnen, Klinikvorstände und Gesundheitsfachkräfte den Nutzen der Angebote nicht erkennen. Das ist zumindest eine Erklärung, die unsere Regierung für den eher langsamen Fortschritt bei elektronischer Patientenakte, eRezept und Co. gefunden hat. Abhilfe soll dafür das „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“, kurz Digitalgesetz oder DigiG, schaffen. Das hat das Bundeskabinett am 30. August 2023 beschlossen. Doch wie genau soll das funktionieren? Wir haben uns den Gesetzentwurf genauer angesehen.

Die Ziele des Digitalgesetzes

Mit dem Digitalgesetz starten keine großen, neuen Projekte für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Vielmehr sollen damit die bestehenden Angebote gefördert werden. Die Idee dahinter ist, auch weiterhin die Kommunikation zwischen den einzelnen Professionen und Sektoren zu stärken, vor allem wenn es um den Austausch von Patientendaten geht. Dabei sollen die Daten nicht nur die Versorgung verbessern, sondern auch in der Forschung eingesetzt werden. Zudem spielen die Sicherheit und die Nutzerorientierung bei den entwickelten Technologien eine wichtige Rolle.

Die wesentlichen Ziele sind:

  • Behandlungsalltag vereinfachen: digitale Lösungen sollen Abläufe und Dokumentationen für Ärzte und Ärztinnen sowie Patienten und Patientinnen erleichtern.

  • Nutzerzahlen erhöhen: bestehende Angebote wie eRezept und digitale Patientenakte sollen weiterverbreitet und ausgebaut werden.

  • Austausch fördern: Daten und Informationen sollen unter den einzelnen Akteuren und Akteurinnen schneller und einfacher ausgetauscht werden.

  • Nutzerfreundlichkeit: Die Handhabung soll niedrigschwelliger werden und sich daran orientieren, was Nutzer und Nutzerinnen aus anderen Bereichen kennen.

  • Vertrauen in die Sicherheit schaffen: zum Beispiel durch Sicherheitsstufen, die selbst gewählt werden können.

Die Inhalte: Das sind die wichtigsten Neuerungen des Digitalgesetzes

Um diese Ziele zu erreichen, enthält der Gesetzentwurf sieben verschiedene Unterpunkte, die weiterentwickelt oder ausgebaut werden sollen. Ein Teil davon beschäftigt sich insbesondere mit Vorgaben, die die digitalen Angebote erfüllen sollen. Einige betreffen aber auch Sie und Ihre Patienten und Patientinnen direkt.

Elektronische Patientenakte für alle

Die elektronische Patientenakte (ePA) soll weiter freiwillig bleiben. Allerdings könnte sie mit dem Digitalgesetz zu einer Opt-Out-Anwendung werden. Damit müssten gesetzlich Krankenversicherte, und teilweise auch private, aktiv widersprechen, wenn sie die ePa nicht nutzen möchten.

Weitere Vorschläge für die ePa sind:

  • Vereinfachung der Bereitstellung

  • Vereinfachung der Zugriffe

  • Vereinfachung der Befüllung und Pflege der Daten

  • Entwicklung weiterer Anwendungen in einer festen Reihenfolge: digitaler Medikationsplan, Elektronische Patientenkurzakte und Labordaten-Befunde

Das eRezept wird ausgeweitet

Seit Juli 2023 können Patienten und Patientinnen das eRezept mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte einlösen. Damit in Zukunft noch mehr davon erfahren, sollen die Krankenkassen verpflichtet werden, ihre Kunden und Kundinnen dazu zu informieren.

Zudem soll das eRezept mit der ePa verknüpft werden. In Zukunft könnte es dann auch mit der ePa-App genutzt werden. Über die sollen zusätzlich digitale Identitäten, NFC-fähige elektronische Gesundheitskarten (eGK) sowie dazugehörige PINs beantragt werden können.

Ausbau der DiGa

Dass die DiGa bei Patienten und Patientinnen aber auch unter Ärzten und Ärztinnen bisher kaum bekannt sind, hat keine Erwähnung im Gesetzentwurf zum Digitalgesetz gefunden. Sie sollen aber „tiefer in den Versorgungsprozess integriert“ und weiter ausgebaut werden.

Die Vorschläge für die DiGa sind:

  • Ausweitung auf Medizinprodukte höherer Risikoklassen, um beispielsweise telemedizinisches Monitoring zu ermöglichen

  • Preisgestaltung stärker an Erfolgskriterien ausrichten

  • Aufbau eines transparenten Qualitätswettbewerbs

  • Verpflichtende anwendungsbegleitende Erfolgsmessungen
    Die Ergebnisse werden sowohl an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet als auch im Verzeichnis veröffentlicht

Telemedizin als viertes Standbein

Die Telemedizin soll ein weiterer wichtiger Baustein der Digitalisierung des Gesundheitswesens werden. Dafür konzentriert sich das Digitalgesetz vor allem auf Videosprechstunden. Bisherige Begrenzungen sollen abgeschafft werden. Die ärztliche Vergütung dafür soll an Qualitätsmerkmale angepasst werden.

Zusätzlich soll assistierte Telemedizin in Apotheken eingeführt werden.

Was ist assistierte Telemedizin?

Die assistierte Telemedizin sieht vor, dass sich Patienten und Patientinnen, die Telemedizin in Anspruch nehmen möchten, unterstützen lassen können. So könnten sie etwa eine Videosprechstunde in der Apotheke vor Ort wahrnehmen. Apotheker bzw. Apothekerin führen dann unter Anleitung des Arztes oder der Ärztin Routineaufgaben durch, wie die Vergabe von Medikamenten oder das Beurteilen von Symptomen.

Neue strukturierte Behandlungsprogramme für Diabetes

Schon heute basiert die Behandlung von Diabetes mellitus Typ I und Typ II auf dem Erfassen und Auswerten von Daten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll dafür ein neues Behandlungsprogramm schaffen, das einen automatischen Austausch der Informationen von Patienten und Patientinnen sowie den Leistungserbringern und Leistungserbringerinnen vorsieht.

Verbindung der einzelnen Systeme und Geräte

Das deutsche Gesundheitssystem besteht aus vielen unterschiedlichen Leistungserbringern und Leistungserbringerinnen, die mit vielen unterschiedlichen Systemen arbeiten. Für die Digitalisierung ist es allerdings unerlässlich, dass diese Daten untereinander austauschen können. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von „Interoperabilität“. Systeme oder Geräte kommunizieren miteinander, ohne dass der Nutzer oder die Nutzerin eingreifen muss.

Besonders die Hersteller:innen und Anbieter:innen der einzelnen Systeme haben laut dem Gesetzentwurf bisher noch keine ausreichenden Schnittstellen für die Zusammenarbeit geschaffen. Deshalb soll es neue Regelungen geben, die Standards. Profile und Leitfäden verbindlich vorschreiben.

Erhöhung der Cybersicherheit 

Um die erfassten Daten vor unberechtigtem Zugriff zu schützen, setzt das Digitalgesetz auf zwei wesentliche Punkte:

  • Zum einen sollen Nutzer:innen entsprechend geschult werden, um ein Sicherheitsbewusstsein zu schaffen.

  • Zum anderen sollen die Mindestanforderungen an Cloud Systeme aus dem Kriterienkatalog C5 (Cloud Computing Compliance Criteria Catalogue) des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnologie gesetzlich vorgeschrieben werden.

Digitalbeirat

Wer die angedachten Gesetzesänderungen im Detail durchgeht, stößt dort in §318a auf den Digitalbeirat. Er vereint gleich mehrere der sieben oben genannten Punkte.

In Zukunft soll der Digitalbeirat der gematik (die bundesweite Agentur zum Aufbau und Ausbau der Telematik Infrastruktur) beratend zur Seite stehen. Dabei geht es sowohl um Datensicherheit als auch um Nutzerfreundlichkeit und die unterschiedlichen Anwendungen allgemein.

Der Digitalbeirat soll durch die gematik gebildet werden. Er besteht aus dem Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik, der oder dem Bundesbeauftragte(n) für Datenschutz und Informationsfreiheit sowie optionalen weiteren Mitgliedern.

Kritik am Digitalgesetz: Das sagen Fachleute

Die Idee, die Digitalisierung voranzutreiben wird von allen Fachgesellschaften sowie Experten und Expertinnen begrüßt. Dennoch äußern die Akteure und Akteurinnen zahlreiche Kritikpunkte am Digitalgesetz. Dazu gehören etwa:

  • Mehrbelastungen für Ärzte und Ärztinnen, Pflegepersonal und andere Leistungserbringer:innen werden nicht berücksichtigt oder entsprechend ausgeglichen.

  • (Langzeit-) Pflegebedürftige und sowie Patienten und Patientinnen in der letzten Lebensphase werden bisher nicht bedacht.

  • Die gesetzlich vorgeschriebene Trennung von Apotheken und Ärzten kann durch die assistierte Telemedizin nicht mehr gewährleistet werden.

  • Hohe Kosten auf Seiten der Krankenkassen ohne ausreichende Finanzierungserläuterungen.

  • Die im Gesetz genannten Fristen sind zu eng gefasst und können vermutlich nicht eingehalten werden.

  • An vielen Stellen sind Formulierungen zu schwammig und nicht ausgereift genug, zum Beispiel Zusammensetzung des Digitalrats oder Erfolgskriterien für DiGa

Die Stellungnahmen zum Digitalgesetz: Auszüge

„Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den Großteil der vorgesehenen Regelungen zur Anpassung und teilweisen Neuausrichtung des rechtlichen Rahmens rund um die Telematikinfrastruktur. Insbesondere der Systemwechsel bei der elektronischen Patientenakte (ePA) hin zur Opt-out-ePA wird den lange vorbereiteten Durchbruch für eine digitale Versorgung bringen. Der Gesetzentwurf kann deutlich positive Auswirkungen auf den Digitalisierungsgrad des deutschen Gesundheitswesens haben und nachhaltig die Grundlage dafür schaffen, datengestützte und evidenzbasierte Versorgung in Medizin und Pflege in Zukunft zu ermöglichen.“ (Stellungnahme Bundesrat, 20.10.2023)

„So räumt der Referentenentwurf selbst ein, dass durch die Einführung der elektronischen Patientenakte für die Praxen ein Mehraufwand von 3 Minuten pro Behandlungsfall entstehen würde, also pro Patient 3 Minuten weniger Zeit für die Versorgung der Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen würde. (…) Diese werden zu deutlich höheren und spürbaren Verlusten der für die Versorgung der Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehenden Zeit führen.“ (Stellungnahme KVB, 31. Juli 2023)

„Kritisch zu hinterfragen sind in Anbetracht knapper Ressourcen für die notwendigen IT-Entwicklungen die sehr ambitionierten Umsetzungsfristen. Es ist davon auszugehen, dass die Industrie für die Entwicklung und den Betrieb neuer Anwendungen, Komponenten und Dienste auf Seiten aller Leistungserbringer unter Idealbedingungen eine Umsetzungsfrist von mindestens 12 Monaten benötigt und anschließend Rolloutzeiträume von weiteren 1 bis 3 Monaten erforderlich sind.“ (Stellungnahme ABDA, 31. Juli 2023)

„Bei der Finanzierung der ePA und des eRezepts ist zu bedenken, dass die Vorteile der Digitalisierung nicht zum Tragen kommen, wenn man die Finanzierungsmechanismen der analogen Welt ungeprüft auf digitale Lösungen wie die elektronische Patientenakte überträgt.“ (Stellungnahme AOK, 17.06.2019)

Was sagen Sie zum Digitalgesetz?

Diskutieren Sie mit unserer Gesundheitscommunity auf sanego.de oder schicken Sie uns Ihre Meinung an info@aerzte.de. Gerne ergänzen wir diesen Beitrag um Ihre persönliche Ansicht.

 

Ein Beitrag unserer Praxismarketing-Expertin Elisabeth Maußner

Quellen:

praktisch Arzt: Neue Digitalgesetze erklärt, aufgerufen am 08.11.2023.

Bundesgesundheitsministerium: Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG), aufgerufen am 08.11.2023.

Bundegesundheitsministerium: Fragen und Antworten zum Referentenentwurf Digital-Gesetz, aufgerufen am 08.11.2023.

Bundesgesundheitsministerium: Stellungnahmen zum Referentenentwurf Digitale-Versorgung-Gesetz, aufgerufen am 08.11.2023.

Deutsche Apotheker Zeitung: Länder für regionale Probeläufe bei assistierter Telemedizin, aufgerufen am 08.11.2023.

Bundesrat: Stellungnahme Digitalgesetz, aufgerufen am 08.11.2023.

ABDA - Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände: Stellungnahme Digitalgesetz, aufgerufen am 08.11.2023

KVB: Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministerims für Gesundheit, aufgerufen am 08.11.2023.

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