Rechenschwäche – so stärken Eltern ihrem Kind den Rücken!

Wie sich das Kind merkt, welche seine linke Hand ist, welche Wörter es schon im Vorschulalter schreiben lernen wollte oder wann es wusste, wie viel „4 + 3“ ergibt: Alle Kinder lernen in ihrem eigenen Tempo. Das Gespür für Zahlen und den Sinn hinter den Ziffern braucht seine Zeit. Kinder, die in der ersten Klasse noch Schwierigkeiten mit erstem Rechnen hatten, holen meist spätestens im nächsten Jahr auf. Wann jedoch von einer Rechenschwäche die Rede ist, erklärt dieser Beitrag.

Dyskalkulie, Rechenstörung, Rechenschwäche – eine Begriffsdefinition

Dyskalkulie, die auch Rechenstörung genannt wird, ist eine von der Weltgesundheitsorganisation WHO anerkannte Entwicklungsstörung. Der gleichbedeutende pädagogische Begriff „Rechenschwäche“ soll Stigmatisierung vorbeugen und deutlich machen, dass rechenschwache Kinder, Jugendliche und Erwachsene nicht krank sind, sondern sehr wohl rechnen lernen können.

Laut dem Internationalen Diagnostischen Manual der WHO (ICD-10) liegt eine Rechenstörung vor, sofern sich die Rechenleistung des Kindes (oder Erwachsenen) deutlich unter dem Level dessen befindet, das sich mit entsprechendem Alter, einer durchschnittlichen Intelligenz und der Beschulung voraussetzen lässt. Diese Definition trifft vor allem für die Grundrechenarten zu, die höhere Mathematik ist davon weniger betroffen.

Trotz deutlicher Zahlen von etwa drei bis sieben Prozent aller Kinder und Jugendlichen, findet Dyskalkulie nicht einmal annähernd die gleiche Beachtung wie Legasthenie. Da davon auszugehen ist, dass in jeder Schulklasse Deutschlands ein Kind mit dieser Rechenschwäche sitzt, von abgegangenen Erwachsenen ganz zu schweigen, fordern Fachleute wie Kinder- und Jugendpsychiater, Kinder- und Jugendärzte sowie Pädagogen mehr Aufmerksamkeit für die Rechenschwäche.

Was passiert im Kopf?

Die Forschung geht zum aktuellen Wissensstand von einer neurobiologisch begründeten Störung aus. Diese Annahme beruht auf Belegen für eine genetische Anfälligkeit einerseits und gestörte Abläufe oder Funktionen im Gehirn andererseits. Das Rechnen als komplexer Vorgang, beansprucht Teamwork mehrerer Hirnregionen. Bildgebende Verfahren zeigen: Bei Kindern, die von Dyskalkulie betroffen sind, zeigen die Teile des Gehirns, die dem neuronalen Netzwerk der Mengen- und Zahlenverarbeitung angehören, eine verminderte Aktivität.

Mathematische Basiskompetenzen, in welchen auf jeden Schritt ein nächster folgt und aufbaut, sind in ihrer Entwicklung teils massiv beeinträchtigt. Zahlen sind für die Kinder dann oft nicht mehr als Ziffern oder leere Worte ohne Bedeutung oder Menge.

Dyskalkulie ÄRZTE.DE

Kinder mit Rechenschwäche bauen sich eigene Lösungsansätze. Diese kreativen Versuche, ein Ergebnis für die Aufgabe zu finden, entsprechen nicht den konventionellen Normen und Regeln und sind für Eltern und Lehrkräfte oft nicht nachvollziehbar und wenig sinnvoll.

Mögliche Ursachen und Folgen von Rechenschwäche

Die Wissenschaft beschäftigte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten intensiv mit dieser Rechenstörung und kann bezüglich der Ursache für Dyskalkulie weiterhin nur mutmaßen. Sie geht davon aus, dass es sich dabei um eine genetisch bedingte Entwicklungsstörung handelt, bei welcher sich bestimmte kognitive Funktionen nicht richtig entwickeln. Gestützt wird diese Behauptung von Studien mit Familien und Zwillingen, wobei auch diese bisher keine genauen Erklärungen für die genetische Ursache liefern.

Eine Rechenschwäche begleitet die Kinder durch ihre gesamte Schulzeit, aber auch hinsichtlich ihres allgemeinen Bildungspotenzials sind sie benachteiligt. Manche verlassen die Schule deutlich früher als ihre Klassenkameraden, haben keinen oder einen geringen Schulabschluss und schließen auch die Berufsausbildung nicht (immer) ab. Die Folgen davon können Arbeitslosigkeit, schlechte Bezahlung und Armut sein.

Wer eine Rechenschwäche aufweist, neige oft auch eher zu psychischen Auffälligkeiten, wie einige Ärzte beschreiben. Das können sowohl Angst, sozialer Rückzug und Depressivität auf der einen Seite, sowie ein Aufmerksamkeitsdefizit oder aggressives Verhalten auf der anderen Seite sein. Beides kann als direkte Reaktion auf die wiederholten Misserfolge und Probleme in der Schulzeit zurückgeführt werden. Obwohl sich diese Kinder und Jugendlichen immer wieder sehr anstrengen, scheitern sie an einfachen Aufgaben. Aus diesen Erfahrungen kann sich Prüfungsangst entwickeln. Das ist ein Teufelskreis, denn Angst während einer Prüfung reduziert die Aufmerksamkeitsressourcen und damit auch die Rechenleistung. Mediziner betonen immer wieder, dass eine frühe Diagnose und Förderung von großer Bedeutung für diese Kinder und Jugendlichen sind. 

Diagnostik einer Rechenschwäche

Eine Rechenschwäche sagt nichts über die Intelligenz eines Menschen aus und kann bei mehr oder weniger intelligenten Kindern und Erwachsenen gleichermaßen auftreten. Problematisch ist, dass Dyskalkulie selten früh erkannt und gesichert diagnostiziert wird. Meist wird sie aber im Laufe der dritten Klasse deutlich, da die Aufgaben komplexer werden und kaum an den Fingern abgezählt werden können. Lehrer vermuten hinter den schelchten Noten oft fälschlicherweise Fehler beim Lernen oder Faulheit.

Um eine Diagnose zu erhalten, werden standardisierte Rechen- und Intelligenztests durchgeführt. Zusätzlich sollen Gesprächen mit Eltern, Lehrern und dem Schüler anamnestisch klären, wann die Rechenschwäche das erste Mal vermutet wurde, welche Schwierigkeiten konkret bestehen und ob schon gefördert wird.

Förderung einer Rechenschwäche

Ein vielversprechender Weg Schüler mit Rechenschwäche zu fördern, besteht darin, den eigenen Rechenweg des Kindes nachzugehen und zu versuchen die „falsche Idee“ des Kindes zu erarbeiten. Anschließend wird richtiggestellt, was bisher anders gelöst wurde und Missverständnisse ausgeräumt. Diese sehr individuelle Förderung können Schulen kaum leisten. Private Angebote decken daher den Bedarf ab. Da die Behandlung einer Rechenschwäche in den Augen der Krankenkassen keine verordnungsfähige Leistung darstellt, wird sie auch nicht von ihnen finanziert. Ärzte und Fachleute kritisieren das mit Nachdruck, da diese meist mit hohen Kosten verbunden ist und somit keine Chancengleichheit für Kinder aus finanziell schwachen Familien besteht.

Tipps für Eltern

Mit diesen Tipps stärken Sie Ihrem Kind den Rücken:

  • Der Rückhalt in der Familie ist für Ihr Kind fast noch wichtiger als die Therapie selbst. Sie können ihm allerdings nur helfen, wenn sie die Rechenschwäche in ihrer Konsequenz verstehen und akzeptieren.

  • Druck und Frustration belasten Ihr Kind zusätzlich und verstärken eine Angst vor Mathematik.

  • Arbeiten Sie mit den Lehrern und Therapeuten zusammen und versuchen Sie sich immer eng in allen Schritten abzusprechen.

  • Fragen Sie Ihr Kind, ob es Fragen zu seiner Rechenschwäche hat und erklären Sie ihm ruhig den Grund für seine Schwierigkeiten.

  • Rücken Sie die Stärken Ihres Kindes in den Mittelpunkt! So bauen Sie Selbstvertrauen auf.

  • Für Perspektive sorgen – erklären Sie Ihrem Kind, wie es anhand der Lernstrategien und eigener Methoden die Schwierigkeiten in Mathematik verbessern kann und welche Unterstützung es von Ihnen und allen anderen Beteiligten dafür erhält.

  • Auf der Website des Bundesverbandes Legasthenie & Dyskalkulie e.V. (https://www.bvl-legasthenie.de/) finden Eltern Therapeuten und Informationen rund um das Thema Dyskalkulie.

  • Sprechen Sie viel Lob aus für jeden kleinen Fortschritt, ohne dabei Erwartungsdruck auszuüben.
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