Veröffentlicht: 20.09.2019 | Lesezeit: 4 Minuten

„Johanniskraut zerreißt die dunklen Wolken und lässt das Licht herein.“ So oder so ähnlich beschreiben Patienten die Wirkung von pflanzlichen Stimmungsaufhellern wie Johanniskraut, Rhodiola rosea, Mate oder Lavendel. Wer an depressiven Verstimmungen oder leichten Depressionen leidet, kann von diesen Phytopharmaka profitieren. Dennoch gilt es einiges zu beachten, denn auch pflanzliche Mittel sind nicht unbedenklich.
Phytopharmaka, Nahrungsergänzungsmittel – was ist der Unterschied?
Phytopharmaka, wie pflanzliche Medikamente in der Fachsprache genannt werden, sind fertige Arzneien, die aus einem oder mehreren pflanzlichen Wirkstoffen bestehen. Klinische Studien sichern die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Mittel. Diese sind zwar in der Regel besser verträglich, als die chemische Alternative, sie bergen jedoch auch Risiken.
Kritisch betrachtet sollten in jedem Fall freiverkäufliche Produkte werden, denn auch rezeptfreie Arzneien sollten nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. Die Wirksamkeit von pflanzlichen Stimmungsaufhellern, die in Form von Nahrungsergänzungsmitteln erhältlich sind, ist in der Regel nicht nachgewiesen. Einerseits sind die Inhaltsstoffe nicht standardisiert, andererseits gerade deshalb auch Nebenwirkungen möglich.
Johanniskraut (Hypericum perforatum) – die Wirkung
Präparate mit Johanniskrautextrakt gelten als Bestseller unter den pflanzlichen Stimmungsaufhellern. Die Pflanze mit der prägnanten gelben Blüte ist fester Teil der Volksmedizin und wird mit vielen heilenden Kräften in Verbindung gebracht.
Als entscheidender Inhaltstoff für die Wirkung auf Psyche und Stimmung gilt Hyperforin. Enthalten in Stempel und Früchten der Pflanze, hemmt es im menschlichen Gehirn die Wiederaufnahme von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Glutaminsäuren.
In kontrollierten klinischen Studien konnte eine überzeugende Wirkung von Johanniskraut bei leichten Depressionen nachgewiesen werden. Entsprechend breit ist die Verwendung des „Prozacs der Natur“ wie TIME schon 2001 das gelbe Kraut betitelte.
Johanniskraut – die Nebenwirkungen
Mit der Einnahme von pflanzlichen Arzneien erhoffen sich die meisten Patienten ein besseres Gefühl – bessere Verträglichkeit dank der natürlichen Alternative. Das täuscht jedoch, auch pflanzliche Stimmungsaufheller wie Johanniskraut können Neben- und Wechselwirkungen haben.
Typische Nebenwirkungen von Johanniskraut-Extrakten:
- Übelkeit
- Leichte Hautirritationen
- Lichtempfindlichkeit
- Kopfschmerzen
- Allergische Reaktionen
- Verdauungsprobleme
- Unruhe
Insgesamt ließen sich schon seltener Nebenwirkungen als bei anderen Antidepressiva feststellen, so das Ergebnis einer großen Metastudie. Die Wissenschaftler einer anderen Forschungsarbeit belegten mögliche Wechselwirkungen und schafften es damit bis in den Beipackzettel – um ernste Folgen zu vermeiden. Demnach sind Pharmazeutika mit Johanniskrautextrakt in der Lage, die Wirkung anderer parallel eingenommener Mittel zu verringern oder zu verstärken.
So löst der Johanniskrautextrakt etwa den Abbau eines wichtigen Enzyms aus. Dieses ist allerdings verantwortlich dafür, dass Medikamente in den Stoffwechsel gelangen. Konkret wies die Studie diesen Effekt für Herz- und AIDS-Mittel, Blutverdünner, die Anti-Baby-Pille und Wirkstoffe zur Unterdrückung der Immunabwehr nach. Schwangeren und stillenden Frauen wird die Einnahme von Johanniskraut abgeraten.
Rhodiola rosea (Rosenwurz)
Erschöpfung, leichte Depressionen sowie die Stabilisierung des Nervensystems – die Wirkungsweise der auch Rosenwurz genannten Rhodiola rosea Wurzel soll vielschichtig sein. Doch der meist in Form von Kapseln vertriebene Extrakt ist vor allem: hochpreisig und vermutlich wirkungslos. Jedenfalls konnte eine heilende Wirkung bislang nicht nachgewiesen werden.
Die russische, baltische und skandinavische Naturheilkunde vertraut auf die Heilpflanze in Form von Tee und Extrakten. Die Traditionelle chinesische und tibetische Medizin sieht die Einnahme der Rhodiola darüber hinaus auch für sexuelle Störungen, Magen-Darm-Erkrankungen und Infektionskrankheiten vor.
Zulassungen erhielten Phytopharmaka mit Rhodiola rosea Wirkstoffen bereits in Großbritannien, Österreich und Schweden. In Deutschland kritisieren zuständige Behörden bislang vor allem die erheblichen Qualitätsunterschiede der Studien, aus denen keine Evidenz für eine therapeutische Wirkung abzuleiten ist.
Rhodiola rosea – die Nebenwirkungen
Ähnlich wie schon beim oben genannten Johanniskrautextrakt ist auch bei Rhodiola rosea mit Wechsel- und Nebenwirkungen zu rechnen. So berichten Patienten vor allem von Magen-Darm-Beschwerden, Benommenheit und Mundtrockenheit. Schwangere und stillende Frauen sollten auf die Einnahme von Rosenwurz verzichten.
Mittlere bis schwere Depressionen sind sehr ernst zu nehmende Erkrankungen und sollten keinesfalls in Selbstmedikation behandelt werden.

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