Veröffentlicht: 01.02.2021 | Lesezeit: 4 Minuten

Vom Placebo-Effekt haben Sie sicher schon mal gehört, aber kennen Sie auch den Nocebo-Effekt? Er beruht auf dem gleichen Prinzip, ist allerdings eher der gemeine Verwandte, der einen bei jedem Besuch ärgert. Der Begriff Nocebo stammt aus dem Lateinischen. Übersetzt bedeutet das so viel wie „ich werde schaden“. Damit ist er das Gegenteil von placebo, ich werde gefallen.
Der Nocebo-Effekt beruht auf einer Weisheit, die wir aus der Küchentischpsychologie kennen. Wenn du mit dem Schlimmsten rechnest, wird es auch eintreten. Im medizinischen Bereich bedeutet das, Patienten spüren plötzlich Nebenwirkungen, die es so vielleicht gar nicht gibt. Manchmal wirkt auch ein Medikament nicht, obwohl es das nachweislich tun sollte. Oder Beschwerden treten sehr viel häufiger auf, weil die Patienten davon erfahren haben.
Der Nocebo-Effekt und unser Aberglaube
Der Begriff Nocebo-Effekt ist relativ neu, das Phänomen kennen Ärzte aber schon sehr lange. Flüche beruhen zum Beispiel darauf. Glaubt ein Mensch daran, dass die schwarze Katze oder das böse Ritual seiner Gesundheit schadet, fühlt er sich tatsächlich schwach und elend. Auch wenn wir wissen, dass es eigentlich gar keinen Grund dafür gibt.
Bis heute gibt es zahlreiche Geschichten vom Nocebo-Effekt. Manche berichten sogar vom Tod eines Patienten, weil dieser glaubte, sterben zu müssen. Ob diese tatsächlich wahr sind, ist schwer zu sagen. Die Auswirkungen des Nocebo-Effekts sind kaum erforscht, zudem ist er nicht nachweisbar.
Die verschiedenen Arten des Nocebo-Effekts
Der Nocebo-Effekt beruht auf der Theorie, dass wir uns schlecht fühlen, obwohl es keinen äußeren Auslöser dafür gibt. Dabei kann er in ganz unterschiedlichen Situationen vorkommen:
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Ein wirkungsloses Medikament löst Nebenwirkungen aus
Besonders in Studien wird das immer wieder beschrieben. Obwohl eine Testperson lediglich zur Kontrollgruppe mit Placebos gehört, spricht sie von Nebenwirkungen.
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Ein nachweislich wirksames Medikament bringt keine Besserung
Glaubt ein Patient, ein bestimmter Wirkstoff hat bei ihm keinen Einfluss oder geht er davon aus, dass es sich um ein wirkungsloses Medikament handelt, fühlt er sich auch nicht besser.
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Ein Patient beschreibt Nebenwirkungen, die es nicht geben sollte oder die bisher nicht vorgekommen sind
Ein Patient versteht eine Erklärung falsch oder bekommt falsche Informationen, sodass er plötzlich Nebenwirkungen wahrnimmt, die wissenschaftlich nicht möglich sind oder noch nicht bekannt.
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Sehr seltene Nebenwirkungen treten gehäuft auf
Weil sie von möglichen sehr seltenen Nebenwirkungen wissen, bemerken sie plötzlich sehr viele Patienten.
Der Nocebo-Effekt ist nicht nur Einbildung
Beschwerden mit der Aussage „Das bildest du dir nur ein“ ab zutun ist zu einfach. Auch wenn die Auswirkungen durch den Nocebo-Effekt nicht durch einen Wirkstoff ausgelöst werden; wie der Placebo-Effekt hat er direkten Einfluss auf den Körper. Die Schmerzen und Probleme sind also wirklich da.
Wissenschaftler konnten beispielsweise nachweisen, dass das Schmerzzentrum im Gehirn beim Nocebo-Effekt aktiviert ist. Es sendet Signale an den Körper, die die Beschwerden auslösen. Das könnte ein Schutzmechanismus sein, um uns auf kommende Strapazen vorzubereiten. Einige Experten gehen außerdem davon aus, dass die Angst vor den negativen Auswirkungen unseren Hormonhaushalt beeinflusst. Patienten schütten plötzlich weniger Glückshormone aus. Stattdessen werden Botenstoffe blockiert, sodass wir Schmerzen stärker wahrnehmen.
Was hilft beim Nocebo-Effekt?
Ärzte und Apotheker sollten in jedem Fall auf den Charakter von Patienten eingehen. Sind diese eher ängstlich oder skeptisch einem Medikament gegenüber, ist eine umfassende und vorsichtige Aufklärung wichtig. Fachbegriffe und Abkürzungen sollten genauesten erklärt oder weggelassen werden. Sie können leicht verunsichern oder falsch interpretiert werden. Auch Formulierungen sind oft entscheidend.
Hören Sie „Bei 90 Prozent der Patienten treten diese Nebenwirkungen nicht auf“, kommt das ganz anders an. „10 Prozent der Patienten haben Schmerzen“ klingt dagegen beängstigend. Dieser Ansatz kann auch bei häufigen Beschwerden helfen. Aussagen wie „Ein leichtes Ziehen ist normal und zeigt, dass das Medikament wirkt“ helfen dem Gegenüber, Beschwerden einzuordnen.
Vermuten Sie bei sich oder jemand anderem einen Nocebo-Effekt, ist Verständnis entscheidend. Machen Sie die Sorgen des anderen nicht lächerlich. Gehen Sie stattdessen darauf ein und erklären Sie, wo er etwas falsch verstanden hat. Manchmal kann es auch helfen, auf ein anderes Medikament mit gleichem Wirkstoff zu wechseln.

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