Kann Cannabis bei Alzheimer die kognitive Funktion verbessern? Chancen und Risiken

Eine Seniorin mit einem friedlichen Gesichtsausdruck ist umgeben von Cannabis. Medizinisches Cannabis rückt als ergänzender Therapieansatz bei Alzheimer zunehmend in den Fokus der Forschung – doch viele Fragen sind noch offen. | © N0X - stock.adobe.com

Alzheimer ist eine der häufigsten Formen der Demenz – und bislang nicht heilbar. Alleine in Deutschland sind weit über 160.000 Menschen betroffen. Die Krankheit zerstört allmählich die Nervenzellen im Gehirn. 

Dadurch verschlechtern sich Gedächtnis, Sprache und Denkvermögen. Viele Patienten und Patientinnen verlieren im Verlauf ihre Selbstständigkeit. Neue Therapieansätze werden daher intensiv erforscht. 

Einer davon ist medizinisches Cannabis. Erste Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Wirkstoffe aus der Hanfpflanze kognitive Funktionen positiv beeinflussen könnten. Doch wie groß ist dieses Potenzial wirklich – und welche Risiken gibt es?

Alzheimer und kognitive Beeinträchtigungen

Alzheimer betrifft vor allem ältere Menschen. Die Erkrankung beginnt schleichend. Erste Anzeichen sind oft Vergesslichkeit, Orientierungslosigkeit oder Schwierigkeiten beim Sprechen. Im weiteren Verlauf verschlechtert sich die geistige Leistungsfähigkeit zunehmend. Das liegt daran, dass Nervenzellen im Gehirn absterben und Verbindungen zwischen ihnen verloren gehen.

Die genauen Ursachen sind nach wie vor nicht vollständig geklärt. Sicher ist aber: Entzündliche Prozesse, Eiweißablagerungen (Beta-Amyloid) und der Botenstoffwechsel im Gehirn spielen dabei eine wichtige Rolle. Aktuelle Therapien können den Verlauf nur begrenzt verlangsamen. Ein echtes Heilmittel gibt es bislang nicht.

Viele Forschungsteams suchen daher nach neuen Ansätzen. Dazu zählt auch die Frage, ob Wirkstoffe aus der Cannabispflanze – vor allem THC und CBD – bei bestimmten Symptomen von Alzheimer helfen könnten. Erste Laborstudien liefern Hinweise auf potenzielle positive Effekte auf Gedächtnis, Stimmung und Entzündungsprozesse. Doch wie tragfähig sind diese Ergebnisse?

Wie wirkt Cannabis im Gehirn?

Cannabis enthält über 100 aktive Wirkstoffe, die sogenannten Cannabinoide. Zwei davon stehen besonders im Fokus: THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol). Beide Substanzen greifen in das körpereigene Endocannabinoid-System ein. Dieses reguliert unter anderem Stimmung, Schlaf, Schmerzempfinden – und auch kognitive Funktionen.

THC bindet an bestimmte Rezeptoren im Gehirn und beeinflusst so die Signalübertragung zwischen Nervenzellen. In niedriger Dosierung kann es stimmungsaufhellend und appetitanregend wirken. Bei höheren Dosen treten jedoch auch Nebenwirkungen wie Verwirrtheit oder Gedächtnisprobleme auf.

CBD wirkt anders: Es verändert die Aktivität der Rezeptoren indirekt und hat keine berauschende Wirkung. Studien zeigen, dass CBD entzündungshemmend, angstlösend und möglicherweise neuroprotektiv wirkt. Genau diese Eigenschaften machen es interessant für die Alzheimerforschung. Denn Entzündungen und Nervenzellverlust zählen zu den zentralen Merkmalen der Krankheit.

Die große Frage lautet: Lassen sich durch Cannabinoide wirklich kognitive Funktionen stabilisieren oder verbessern? 

Studienlage: Cannabis bei Alzheimer – was bisher bekannt ist

Die Forschung zu Cannabis bei Alzheimer steckt noch in den Anfängen. Erste Laborstudien und Tierversuche zeigen jedoch interessante Ansätze. So konnte THC in einigen Versuchen die Bildung schädlicher Beta-Amyloid-Plaques reduzieren. Diese Ablagerungen gelten als zentraler Auslöser für den Nervenzellabbau bei Alzheimer.

CBD wiederum zeigte in präklinischen Studien entzündungshemmende Effekte im Gehirn. In Kombination mit THC könnte es zudem die negativen Begleiterscheinungen der Krankheit – wie Unruhe, Schlafstörungen oder depressive Verstimmungen – lindern.

Auch kleinere klinische Studien liefern vorsichtige Hinweise: Einige Patienten und Patientinnen berichteten über verbesserte Lebensqualität, besseren Schlaf und eine leichtere Bewältigung des Alltags. Konkrete Verbesserungen der Gedächtnisleistung konnten bisher aber nicht nachgewiesen werden.

Die Studienlage bleibt insgesamt begrenzt. Es fehlen größere Langzeitstudien mit klaren Ergebnissen zur Wirksamkeit, optimalen Dosierung und sicheren Anwendung. Fachgesellschaften fordern deshalb weitere Forschung, bevor Cannabis als regulärer Bestandteil der Alzheimertherapie empfohlen werden kann.

Risiken und Grenzen der Cannabistherapie

So vielversprechend manche Ergebnisse auch wirken: Die Therapie mit medizinischem Cannabis birgt auch Risiken. Besonders bei älteren Menschen kann THC unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen. Dazu zählen Schwindel, Müdigkeit, Verwirrtheit oder eine Verschlechterung der Konzentrationsfähigkeit.

Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind möglich – vor allem bei Menschen mit mehreren Grunderkrankungen, wie es bei Alzheimer häufig der Fall ist. Deshalb ist eine ärztliche Abklärung immer erforderlich, bevor eine Therapie mit Cannabis in Betracht gezogen wird.

Ein weiterer Punkt: Der therapeutische Nutzen von Cannabis bei kognitiven Einschränkungen ist bislang nicht eindeutig belegt. Es handelt sich um einen ergänzenden Ansatz – nicht um eine zugelassene Standardbehandlung für Alzheimer.

Gerade bei sensiblen Erkrankungen wie Demenz gilt: Die Behandlung muss individuell abgestimmt, medizinisch begleitet und regelmäßig überprüft werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass mögliche Vorteile nicht durch Nebenwirkungen überlagert werden.

Rechtlicher Rahmen und Zugangsmöglichkeiten

In Deutschland darf medizinisches Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen verschrieben werden. Das gilt auch für die begleitende Behandlung von Symptomen bei Alzheimer, sofern andere Therapien nicht ausreichend helfen. Die Entscheidung darüber trifft ein Arzt oder eine Ärztin nach gründlicher Abwägung.

Cannabispräparate werden meist über Apotheken bezogen – entweder vor Ort oder über eine Cannabis Online Apotheke, die auf rezeptpflichtige Arzneimittel spezialisiert ist. Auch hier gilt: Eine gültige ärztliche Verordnung ist zwingend erforderlich. Die Produkte unterliegen strengen Qualitäts- und Sicherheitskontrollen.

Nicht erlaubt ist der Kauf von medizinischem Cannabis ohne Rezept – etwa über unseriöse Plattformen im Ausland. Patienten und Patientinnen sollten daher immer auf legale und geprüfte Bezugsquellen achten.

Fazit: Zwischen interessantem Potenzial und Vorsicht

Cannabis bietet in der Alzheimertherapie interessante Ansätze – vor allem zur Linderung einzelner Symptome. Die Studienlage ist jedoch noch begrenzt, und der Einsatz bleibt mit Risiken verbunden. Wer eine Behandlung mit THC oder CBD erwägt, sollte sich ausführlich ärztlich beraten lassen und nur geprüfte, verschreibungspflichtige Produkte nutzen.

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