Viel Gemüse sollte zu einer gesunden Ernährung unbedingt dazugehören.
Prof. Dr. med. Thomas Kurscheid

Prof. Dr. med. Thomas Kurscheid

Facharzt für Allgemeinmedizin

Prof. Dr. Kurscheid ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungs- und Sportmedizin. Er hat sich insbesondere auf die Präventionsmedizin spezialisiert und bietet in seiner Praxis spezielle Abnehm-Programme an. Zudem ist er Teil des Podcasts Gesund & Gesund.

Viel Gemüse sollte zu einer gesunden Ernährung unbedingt dazugehören. | © dark_blade - stock.adobe.com

5 Regeln für eine gesunde Ernährung: 70 % unserer Gesundheit haben wir selbst in der Hand

Ob eine Biene Arbeiterin oder Königin wird, entscheidet alleine Ihre Ernährung. Denn genetisch gibt es zwischen den beiden keinen Unterschied. Wir Menschen bringen natürlich wesentlich mehr eigene Veranlagungen mit. Dennoch hat auch bei uns alles, was wir essen einen großen Einfluss.

Unsere Gesundheit wird überwiegend von drei Faktoren bestimmt: Bewegung, Umgang mit Stress und Ernährung. Natürlich spielen auch Gene und Umwelteinflüsse eine Rolle. Doch etwa 70 %, so Prof. Dr. Kurscheid, können wir selbst beeinflussen.

Eine gesunde Ernährung hat damit einen großen Anteil daran, dass wir bis ins hohe Alter fit bleiben und lange leben. ÄRZTE.DE Experte Prof. Dr. Kurscheid hat sich deshalb nicht nur auf das behandeln, sondern vor allem auf das Vorbeugen von Erkrankungen spezialisiert. Für ihn gibt es klare Ernährungsempfehlungen, denen jeder folgen sollte.

Übergewicht, Herzinfarkt, Krebs: Die Statistik sagt, wir könnten länger leben

Sowohl die Bundesregierung als auch die WHO sind sich einig: Viele Todesfälle könnten vermieden werden. Denn gerade bei unter 70-Jährigen sind sie überwiegend auf nichtübertragbare Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, chronische Atemwegsinfektionen und Diabetes zurückzuführen. Diese werden durch Risikofaktoren wie Alkohol- und Tabakkonsum oder Übergewicht begünstigt.  (siehe zum Beispiel The Global Cardiovascular Risk Consortium oder GBD 2019 Cancer Risk Factors Collaborators)

Dennoch steigen die Zahlen der Übergewichtigen in Deutschland. Laut Befragungen des RKI  von 2019 / 2020 ist mehr als die Hälfte der Deutschen (53 %) übergewichtig oder adipös. Mit dem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, aber auch unter den Jüngeren mit 18-29-Jahren sind 31,9 % betroffen. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung könnte also viel dazu beitragen, die Lebenserwartung zu verlängern und Erkrankungen zu vermeiden.

5 Regeln für gesunde Ernährung

In meiner Praxis und in unserem Adipositaszentrum Köln habe ich schon viele Menschen beim Abnehmen und auf dem Weg zu einem gesünderen Leben begleitet. Dabei wissen die meisten schon selbst, wie eine gesunde Ernährung aussieht:

  • Obst und Gemüse sollten den Großteil Ihrer Ernährung ausmachen. Als Faustregel nutzen wir die 5 Portionen (Handflächen) am Tag, wobei Sie diese auf 3 Mahlzeiten aufteilen sollten. Wählen Sie am besten unterschiedliche Sorten. Je farbenfroher die Auswahl, desto mehr Vitamine und Nährstoffe haben Sie abgedeckt.
  • Auch Eiweiße oder Proteine sollten Teil der täglichen Mahlzeiten sein. Dafür reichen allerdings schon kleine Mengen. Hülsenfrüchte, Fleisch oder Fisch sind das Extra auf dem Teller. Mit 1g-1,2 g Protein/Kg Körpergewicht sind Sie gut versorgt. 
  • Kohlenhydrate wie Reis, Kartoffeln, Brot und Süßes benötigen wir kaum. Sie sollten deshalb nur einen kleinen Teil der Nahrung ausmachen.
  • Gute Fette brauchen wir auf jeden Fall. Statt Fett wegzulassen, sollten wir also lieber auf ungesättigte Fettsäuren, zum Beispiel aus pflanzlichen Ölen und Nüssen, setzen. Auch hier reichen schon kleine Mengen.

Im Alltag halten sich allerdings die wenigsten an diese Ernährungsempfehlungen. Wer sich gesund ernähren möchte, benötigt also nicht nur das richtige Wissen – auf die Umsetzung kommt es an. Meiner Erfahrung nach braucht es deshalb 5 Regeln für eine gesunde Ernährung, damit die Umstellung klappt:

1. Fragen Sie sich: Warum möchte ich gerade essen?

Unsere Emotionen beeinflussen unser Essverhalten sehr stark. Denn seit der Geburt haben wir uns angewöhnt, dass die Nahrungsaufnahme eng mit positiven Gefühlen verbunden ist. Als Säugling spüren wir Nähe und Geborgenheit beim Stillen oder wenn wir im Arm einer Bezugsperson die Flasche bekommen. Als Kinder und Jugendliche werden wir mit etwas Süßem über Schmerzen oder einen Schreck hinweggetröstet. Schließlich erwachsen, essen wir bei negativen Gefühlen schon fast automatisch. Auf Frust, Langeweile oder Einsamkeit reagieren wir mit einem Snack.

Für eine gesunde Ernährung müssen wir diesen Kreislauf durchbrechen. Im ersten Schritt sollten Sie deshalb lernen zwischen Appetit und körperlichem Hunger zu unterscheiden. Bevor Sie etwas essen, sollten Sie sich immer fragen: Warum möchte ich gerade essen?

2. Essen Sie nicht nebenbei

Ob Frau oder Mann, Multitasking kann unser Gehirn nicht leisten. Machen Sie dennoch zwei Dinge gleichzeitig, springt Ihre Aufmerksamkeit von einem zum anderen. Darunter leidet die Konzentration. Essen Sie also zum Beispiel vor dem Fernseher oder scrollen nebenbei durch Instagram, bekommt das Gehirn gar nicht richtig mit, dass es gerade Nahrung aufnimmt. Schon wenige Minuten nachdem der Teller leer ist, überlegen Sie, was Sie noch essen könnten.

Meine Empfehlung ist deshalb: Nehmen Sie sich Zeit fürs Essen. Gerade wenn Sie gerne essen, sollten Sie es auch genießen.

3. Kaufen Sie richtig ein

Eine gute Ernährung fängt beim Einkaufen an. Halten Sie sich an die oben genannten Vorgaben (viel Obst und Gemüse, einige Proteinquellen, wenig Kohlenhydrate und gute Fette), haben Sie alles zu Hause, was Sie dafür brauchen. Am besten sind möglichst naturbelassene Produkte. Stark verarbeitete Lebensmittel wie Fertiggerichte enthalten meist nur noch wenig Nährstoffe. Konserven werden durch viel Salz und Zucker haltbar gemacht. Deshalb sollten Sie unverarbeitete Lebensmittel wählen.

Dabei reichen zwei bis drei Mahlzeiten völlig aus, um ohne Hunger durch den Tag zu kommen. Snacken Sie dennoch gerne oder haben nicht immer Zeit für regelmäßige Mahlzeiten, sollten Sie dies bedenken. Nehmen Sie schon im Supermarkt gesunde Snacks wie Nüsse oder Rohkost mit. Süßigkeiten, Chips und Co. sollten Sie dagegen gar nicht erst oder nur in kleinsten Mengen einkaufen. So sorgen Sie dafür, dass alles greifbar ist, was Sie für eine gute und ausgewogene Ernährung brauchen.

4. Gesundes Essen darf schnell gehen

Wer wenig Zeit hat, greift gerne zur Fertigpizza oder geht zum nächsten Imbiss. Sie dürfen es sich aber auch leicht machen, wenn Sie sich gesund ernähren. Gemüse und Obst werden etwa oft verzehrfertig ohne Zusätze eingefroren. So können Sie es in wenigen Minuten zubereiten.

Auch Essen gehen und sich gesund ernähren sind zusammen möglich. Die Zutaten und die Zubereitung sollten entsprechend ausgewählt werden. Hier helfen beispielsweise offene Küchen, bei denen Sie dem Koch oder der Köchin über die Schulter schauen können.

5. Gesunde Ernährung geht ohne Verzicht

Ausgewogenes, gutes Essen darf schmecken. In der Übergangsphase kann es dauern, die Geschmacksknospen an eine neue Kost zu gewöhnen. Sie müssen aber auf keinen Fall etwas zu sich nehmen, nur weil es gesund sein soll. Vielmehr sollten Sie auf vielseitige und unterschiedliche Lebensmittel setzen, die Ihnen schmecken.

Sie essen gerne Pommes, Schokolade oder Kuchen? Dann müssen Sie auch nicht für immer darauf verzichten oder weniger schmackhafte Ersatzprodukte ausprobieren. Halten Sie sich lieber an Regel zwei, kaufen Sie sich eine kleine Portion und essen Sie diese mit Genuss. Oft reichen schon kleinste Mengen, um unseren Appetit auf etwas zu stillen. So bleibt auch das schlechte Gewissen aus, dass Sie verleitet noch mehr zu essen.

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