Tag der Organspende 2024: Wie sieht Organspende in Deutschland aus?

Viele Deutsche wollen ihre Organe spenden, andere möchten es lieber nicht – das Problem: Die meisten halten Ihre Entscheidung nicht fest. In Deutschland warten deshalb nach wie vor Patienten und Patientinnen vergeblich auf ein Spenderorgan. Dabei können mit einem Organspendeausweis oder einem Eintrag im Organspende-Register die eigenen Wünsche relativ schnell festgehalten werden.

Der Tag der Organspende möchte das Thema deshalb jährlich in Erinnerung rufen, die wichtigsten Fakten zur Organspende zusammentragen und so zu einer rechtlich bindenden Entscheidung beitragen.

Infobox Tag der Organspende

Am 01. Juni 2024 ist Tag der Organspende. Dieser findet jedes Jahr am ersten Samstag im Juni statt. Ziel des Aktionstags ist es, das Thema Organspende der breiten Öffentlichkeit ins Gedächtnis zu rufen, aufzuklären und die Bereitschaft zur Organspende zu erhöhen.

Die Diskrepanz bei der Organspende: Viele wollen spenden, wenige Spenden pro Jahr

84 % der Deutschen stehen dem Thema Organspende in einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) aus dem Jahr 2022 grundsätzlich positiv gegenüber. 44 % gaben sogar an, bereits einen Organspendeausweis, eine Patientenverfügung oder beides zu besitzen.

Demgegenüber stehen mehr als 8.496 Menschen, die auf ein passendes Spenderorgan warten. Die Warteliste auf eine Niere ist mit großem Abstand am längsten, aber auch andere Organe wie Leber, Herz oder Lunge werden dringend benötigt.

Im Jahr 2022 gab es unter allen Verstorbenen 869 Personen, die als Organspender:innen in Betracht gezogen werden konnten. Ein(e) einzelne(r) Spender:in kann im Durchschnitt drei Organe an verschiedene Empfänger:innen spenden.         

Die große Diskrepanz entsteht allerdings nicht nur durch die fehlende Entscheidung bzw. das rechtlich bindende Festhalten an dieser, sondern auch durch die Vorrausetzungen zur Organspende, die nur selten erfüllt werden.

Wann ist eine Organspende möglich?

Damit ein Organ oder Gewebe transplantiert werden kann, müssen Empfänger:in und Spender:in medizinisch gesehen sehr gut zueinander passen. In den meisten Fällen orientieren sich die Ärzte und Ärztinnen dafür an den individuellen Gewebemerkmalen. Manchmal sind auch andere oder zusätzliche Voraussetzungen entscheidend. Am Ende gilt: Je größer die Übereinstimmung, desto weniger bekämpft das Immunsystem das „neue“ Organ.

Zusätzlich sollte das Spenderorgan in einem guten Zustand und nicht vorbelastet sein. Auch der oder die Empfänger:in muss einen möglichst guten Gesundheitszustand haben. Je nach Art der Spende sind deshalb unterschiedliche Untersuchungen möglich.

Die drei Arten der Organspende

Die genannten Grundvoraussetzungen gelten für alle Spenden von Organen und Gewebe. Denn auch wenn wir unter dem Begriff in der Regel eine postmortale Organspende verstehen, gibt es drei unterschiedliche Kategorien:

Lebendorganspende

Die Lebendorganspende unterliegt strengen Richtlinien, um Organhandel zu verhindern. Sie wird daher nur selten durchgeführt. In Deutschland kommt nur ein(e) Spender:in infrage, der oder die dem bzw. der Empfänger:in persönlich nahesteht. Diese(r) muss außerdem volljährig und einwilligungsfähig sein und über alle Risiken aufgeklärt werden.

Medizinisch gesehen sollten Lebendorganspender:innen vollständig gesund sein und voraussichtlich keinen schweren gesundheitlichen Schaden davontragen. Eine Gefährdung – abgesehen vom Operationsrisiko – sollte ebenfalls ausgeschlossen werden können.

Neben Spender:in und Empfänger:in muss außerdem eine sogenannte Lebendspendenkommission den Fall prüfen und zustimmen.

In Deutschland betreffen Lebendorganspenden überwiegend Niere und einen Teil der Leber. Es sind aber auch Teilspenden der Lunge, des Dünndarms oder der Bauchspeicheldrüse denkbar.

Postmortale Organspende

Nicht jede(r) Organspender:in kommt nach dem Tod auch für eine Spende infrage. Nur wenn bei Patienten und Patientinnen die Hirnfunktion erlischt und das Herz-Kreislauf-System künstlich aufrechterhalten wird, ist eine postmortale Organspende möglich. Dieser sogenannte Hirntod tritt etwa nach einem Unfall oder einer Krankheit auf, wenn die lebensrettenden Maßnahmen nicht erfolgreich waren. Erst wenn eine eindeutige Diagnose gestellt wurde, die Einwilligung des Spenders oder der Spenderin vorliegt und die Angehörigen informiert wurden, kann mit den nächsten Schritten für die Organspende begonnen werden.

Dafür werden zunächst verschiedene Untersuchungen durchgeführt, um den Zustand der Organe zu prüfen. Anschließend werden diese in einer Operation entfernt und so schnell wie möglich an das Transplantationszentrum weitergegeben. Der Eingriff läuft nach den gleichen Vorgaben wie bei einer Lebendorganspende ab.

Definition der Diagnose Hirntod

Beim Hirntod ist die Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms irreversibel erloschen. Die Herz- und Kreislauffunktion wird lediglich durch kontrollierte Beatmung noch künstlich aufrechterhalten. Der Sterbeprozess hat unaufhaltsam begonnen. Für die Diagnose Hirntod müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Koma (höchste Stufe der Bewusstlosigkeit)
  • Fehlende Hirnstammreflexe (Signale kommen nicht mehr im Gehirn an)
  • Atemstillstand (Apnoe)
  • Nachweis der Irreversibilität (mögliche Ursachen des Zustands können nicht mehr behoben werden)

Um den Hirntod zu diagnostizieren, müssen immer zwei erfahrene Ärzte oder Ärztinnen unabhängig voneinander diese Zeichen überprüfen. Nur auf diese Weise gilt der Hirntod auch als rechtssicher diagnostiziert. Jede(r) der beiden Ärzte bzw. Ärztinnen muss zweimal im Abstand von mindestens zwölf Stunden feststellen, dass diese Zeichen vorhanden sind. Die Ergebnisse werden protokolliert und Angehörige haben das Recht darauf, diese einzusehen.

Postmortale Gewebespende

Neben Organen kann in vielen Fällen auch Gewebe transplantiert werden, etwa bei einer verletzten Augenhornhaut. Eine postmortale Gewebespende ist meist bis zu 72 Stunden nach dem Herz-Kreislauf-Versagen möglich, da Gewebe nur schwach durchblutet ist. Kommt ein(e) Patient:in sowohl als Organspender:in als auch als Gewebespender:in infrage, hat die Organspende Vorrang.

Organspende Pro & Contra: Argumente und viele Vorurteile

Vorweg: Die Entscheidung zur Organspende ist sehr persönlich. Ihr Wunsch dazu muss nicht für andere nachvollziehbar sein und Sie müssen auch nicht andere überzeugen. Wichtig ist, dass Sie einen Weg für sich finden und diesen festhalten, etwa im Organspende-Register oder mit einem Organspendeausweis. Wie dieser aussieht, kann sehr persönlich sein und vielleicht auch von folgenden Punkten beeinflusst werden.

Argumente für Organspende:

  • Mit ihrer Spende können Sie oft mehreren Menschen ein längeres bzw. erfüllteres Leben ermöglichen.
  • Wenn sie selbst einmal ein Organ benötigen, sind Sie froh über eine Spende.
  • Mit dem Hirntod hat der Sterbeprozess begonnen, eine Genesung ist nicht mehr möglich.
  • Das Verfahren ist in Deutschland streng reglementiert, zusätzlich muss der Hirntod von zwei Ärzten oder Ärztinnen unabhängig voneinander festgestellt werden.
  • Mehr Organspenden verkürzen die Wartezeit auf ein Organ und können so die Erfolgschancen der Organspende erhöhen.
  • Steigt die Wahrscheinlichkeit auf ein Spenderorgan in Deutschland könnte das den illegalen Organhandel eindämmen.

Argumente gegen Organspende

  • Für eine Organspende müssen Spender:innen auf der Intensivstation behandelt und das Herz-Kreislauf-System künstlich aufrecht erhalten werden. Angehörigen kann dadurch der Abschied erschwert werden.
  • Keiner weiß, was nach dem Tod geschieht. Die Organspende könnte Ihrer Vorstellung oder Ihrem Glauben dazu widersprechen.
  • Der Hirntod leitet den Sterbeprozess erst ein, was danach passiert und was Betroffene dabei empfinden, wissen wir nicht.
  • Wünschen Sie keine lebenserhaltenden Maßnahmen und haben das in Ihrer Patientenverfügung so festgehalten, ist auch keine Organspende möglich. Hier braucht es spezielle Formulierung, um Ihre Wünsche möglichst umfassend zu erfüllen.
  • Wer auf der Warteliste für ein Organ ganz oben steht, wird von unterschiedlichen Kriterien bestimmt. Das System kann aber natürlich nicht alle Unterschiede und Risiken in Betracht ziehen. Eventuell würden Sie Ihre Organe lieber anders verteilen.
  • Nicht immer ist eine Organspende erfolgreich. Für den oder die Empfänger:in gibt es zahlreiche Risiken und das Organ könnte abgestoßen werden.

Regelungen zur Zustimmung zur Organspende in Europa

Bei Befragungen sind die meisten Teilnehmer:innen der Organspende gegenüber positiv eingestellt, sehr viel weniger Menschen haben aber tatsächlich einen Organspendeausweis oder eine entsprechende Patientenverfügung. Das liegt auch an den rechtlichen Vorgaben in Deutschland. Andere Länder haben sich bewusst für einen anderen Weg entschieden:

Widerspruchslösung

Dies ist die am weitesten verbreitete Organspenderegelung in Europa. Wer nicht vor seinem Tod widerspricht, wird automatisch Organspender:in. In folgenden Ländern ist diese etabliert: Frankreich, Irland, Italien, Österreich, Spanien und in zwölf weiteren europäischen Ländern.

Erweiterte Widerspruchslösung

Hat der Patient oder die Patientin vor dem Tod der Organspende nicht widersprochen, haben dennoch die Angehörigen die Möglichkeit, die Organentnahme zu verhindern. Dies gilt in Schweden, Norwegen, Estland, Finnland und Kroatien.

Zustimmungslösung

Organe und Gewebe dürfen nur entnommen werden, wenn der Patient oder die Patientin vor dem Tod zugestimmt hat.

Erweiterte Zustimmungslösung

Hat der oder die Patient:in die Wünsche zur Organspende nicht festgehalten, werden die nächsten Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des bzw. der Verstorbenen zur Organentnahme befragt. Diese Regelung gilt in Dänemark, Großbritannien, Litauen, der Niederlande, der Schweiz – und in Deutschland.

Was muss bei Auslandsreisen beachtet werden?

Bei einem Todesfall im Ausland gilt das Gesetz zur Organspende des jeweiligen Landes und das ganz unabhängig davon, welche Nationalität der oder die Verstorbene hat. Deshalb empfiehlt es sich, ein entsprechendes Dokument in der jeweiligen Sprache mitzuführen. Auch wer seine Organe nicht spenden möchte, sollte einen Organspendeausweis oder ein ähnliches Dokument bei sich tragen, aus welchem diese Entscheidung hervorgeht.

Organspende in den USA als Vorbild

Die USA gelten oft als Vorbild in Sachen Organspende. Diese hatten 2022 mit 19,31 Spendern pro einer Million Einwohnern und Einwohnerinnen die fünfhöchste Zahl an Organspendern und Organspenderinnen weltweit.

Dort gilt die erweiterte Zustimmungslösung. Wer seine Organe spenden möchte, muss dies zu Lebzeiten festlegen oder durch seine Angehörigen nach dem Tod entscheiden lassen. Genau wie in Deutschland, jedoch sind die Spenderzahlen fast drei Mal so hoch.

Warum ist die Organspende-Bereitschaft in den Vereinigten Staaten so viel höher? Ein möglicher Grund könnten die zahlreichen Kampagnen dafür sein. So wird jede(r), der bzw. die in den USA einen Führerschein beantragt oder verlängern lässt, nach der Spendenbereitschaft befragt. Die Antwort wird direkt auf dem Führerschein vermerkt. Außerdem gibt es immer wieder große Werbekampagnen von Organisationen und Unternehmen, zuletzt etwa durch ein eigenes Tool von Facebook.

Zudem wird immer wieder in das System investiert. Wartelisten und Online-Register wurden im Laufe der Jahre stetig verbessert. Dank mehr Personal können Angehörige in Kliniken zudem umfassend betreut werden. Einige Ideen wurden teilweise auch in Deutschland aufgegriffen.

Zukunftsaussichten: Die Entwicklung der Organspende in Deutschland

Seit dem 1. März 2022 gilt in Deutschland etwa das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende. Dadurch müssen nicht nur die Krankenkassen Ihre Mitglieder über die Organspende informieren. Auch Hausärzte und Hausärztinnen haben die Möglichkeit alle zwei Jahre mit Ihren Patienten und Patientinnen über das Thema zu sprechen.

An Ausweisstellen von Bund und Ländern sollen zusätzlich Infomaterial und Organspendeausweise verteilt werden. Außerdem sollen dort, aber auch von überall sonst Eintragungen in das Organspende-Register möglich sein. Aufgrund der Corona-Pandemie startet dieses allerdings verzögert im März 2024.

Ob das einfachere Festhalten der Entscheidung wirklich die Spendenbereitschaft in Deutschland erhöht oder es doch noch weiterer Investitionen an anderen Stellen bedarf, wird sich vermutliche erst in den nächsten Jahren zeigen.

Dieser Text wurde von unserer Redakteurin Marlene Haufe verfasst

Beitrag aktualisiert am 19.03.2024.

Quellen:

 

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