Fit im Kopf: Ein Interview zum Gedächtnistraining

Nennen Sie die Monate des Jahres so schnell wie möglich in alphabetischer Reihenfolge oder schreiben Sie Ihren nächsten Einkaufszettel mit der schreibungewohnten Hand. Da müssen Sie erst mal nachdenken? Genau darum geht es im Ratgeber von Andrea Friese und Bettina M. Jasper. Die beiden Frauen beschäftigen sich schon lange mit dem Gedächtnis und haben jetzt ein Buch dazu geschrieben. „Die Kraft des Gedächtnisses erhalten und stärken“ liefert Übungen, um das ganze Jahr lang das Gehirn fit zu halten.

Leser können gleich in das Training starten, ohne sich vorher lange mit der Theorie beschäftigen zu müssen. Dabei sind die Übungen abwechslungsreich und bieten verschiedene Variationen. Kleine Ernährungstipps runden das Angebot ab. Der Ratgeber „Die Kraft des Gedächtnisses erhalten und stärken“ kann Sie so Woche für Woche durch den Alltag begleiten.

Buchcover Die Kraft des Gedächtnisses stärkenAndrea Friese die wichtigsten Punkte zum Gedächtnistraining mit uns im ÄRZTE.DE Interview zusammengefasst:

ÄRZTE.DE: Warum müssen wir unser Gedächtnis trainieren?

Andrea Friese: In Amerika sagt man „Use it or lose it“, vergleichbar in Deutschland kennen wir „Wer rastet, der rostet“, also gebrauche es oder verliere es. Das gilt nicht nur für unsere körperliche, sondern auch für unsere geistige Fitness. Das Gehirn besteht ja aus einem gigantischen, riesigen Netzwerk an Nervenzellen. Forscher sprechen von 100 Milliarden Neuronen, das sind die Nervenzellen, mit über 100 Millionen Kontaktstellen. Man hat sie nie alle gezählt, geht aber von einem riesigen, gigantischen Netzwerk aus. Dieses will natürlich benutzt werden, damit wir Informationen aus der Umwelt wahrnehmen, verarbeiten und adäquat darauf reagieren können. Die Netzwerke passen sich an neue Anforderungen und Herausforderungen an, entwickeln sich also auch immer weiter. Neuere Forschungen haben festgestellt, dass in bestimmten Hirnregionen auch im Erwachsenenalter neue Nervenzellen entstehen können. Das nennt man adulte Neurogenese. Wir gehen davon aus, dass vor allem in zwei Teilen des Gehirns passiert: im Vulgus olfactorius, der ist für Geruchsinformationen zuständig, und in Regionen des Hippocampus, der für das Lernen verantwortlich ist. Auch im Alter kann man hier noch Zugewinn verzeichnen.

Diese Funktionsanpassung des menschlichen Gehirns hält ein Leben lang an, aber die Flexibilität ist abhängig von der Aktivität des Einzelnen. Das heißt, Nervenzellen und die Verbindungen untereinander werden abgebaut, wenn sie nicht benutzt werden. Es gibt etwa eine Studie aus London mit Taxifahren. Die Teilnehmer machten im Rentenalter den Taxischein und mussten sich dafür alle Straßennamen des riesigen Netzes in London merken. Während ihrer Tätigkeit nahmen die Neuronen im Gehirn zu, sobald sie den Job aufgegeben haben, sind die Nervenverbindungen wieder verloren gegangen.

ÄRZTE.DE: In der Jugend ist unser Gedächtnis die ganze Zeit beschäftigt. Ab welchem Alter macht ein Training denn Sinn?

Andrea Friese: Wissenschaftlich erwiesen ist, dass das Gehirn durch Stimulation lebenslang aktiviert werden kann, ja sogar muss. Lernen ist also eine lebenslange Aufgabe. Die geistige Fitness wird durch den Alterungsstoffwechsel und Alterungsprozesse beeinträchtigt. Man merke - schon Mitte bis Ende zwanzig beginnen die kognitiven Fähigkeiten nachzulassen; gerade auch die fluide Intelligenz, also die Denkflexibilität. Menschen, die voll im Beruf stehen, gebrauchen ihr Gedächtnis weniger. Deshalb ist es so wichtig, sich regelmäßig weiterzubilden und die geistige Fitness zu trainieren. Die kognitiven Fähigkeiten sind natürlich auch individuell unterschiedlich, also nicht nur altersabhängig, sondern auch jeder hat eine andere Resilienz. Durch aktive Interventionen kann sie aber von jedem bis ins hohe Alter beeinflusst werden. Gerade der Lebensstil zwischen 30 Jahren und 70 Jahren hat wesentlichen Einfluss auf das Verhalten und den Alltag im Seniorenalter. Bei älteren Menschen geht es vielleicht eher darum, geistig fit zu bleiben. Bei jüngeren erfolgreich zu lernen und eigene Lösungsstrategien möglich zu machen. Insofern kann man eigentlich gar nicht früh genug anfangen, das Gedächtnis zu trainieren.

ÄRZTE.DE: An wen richtet sich ihr Ratgeber?

Andrea Friese: Das Cover zeigt eine gut aussehende, sportliche Seniorin, wir richten uns also nicht unbedingt an Menschen, die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Aber wir sind der Überzeugung, dass auch jüngere Personen Spaß an unserem Programm haben können. Was zählt, ist die innere Einstellung. Auch im mittleren Alter profitiert das Gehirn von den Übungen. Wer Spaß daran hat, kann also ruhig schon früher damit anfangen. Lebenslanges Training baut ja ein Potenzial an Nervenzellen im Gehirn auf. Sie haben dann ein Guthaben, um im Notfall oder bei Einschränkungen im Alter kompensieren zu können.

Wer in einer Partnerschaft lebt, kann die Übungen, die wir präsentieren, zu zweit machen. Auch alleine machen sie viel Spaß. Manche Aufgaben motivieren sogar eine ganze Familie gemeinsam zu üben oder Ergebnisse miteinander auszutauschen.

ÄRZTE.DE: Wie sehen die Übungen denn aus?

Andrea Friese: Wir haben dem Buch eine thematische Struktur gegeben, die sich an der Alltagswelt von Erwachsenen im Jahresverlauf orientiert. Natürlich ist es jedem freigestellt, in einer beliebigen Woche ins Programm einzusteigen. Jedes Wochenthema ist in die Bereiche Bewegung, Kognitionstraining, Achtsamkeit und Ernährung gegliedert. Die Übungen in Bewegung und Kognition sprechen verschiedene Gehirnregionen an mit unterschiedlichen Funktionsbereichen, damit auch möglichst viele Wirkmechanismen und Nutzenaspekte einbezogen werden. Die Trainingsziele haben wir jeweils genannt, zum Beispiel Koordination, Fingerbeweglichkeit oder Konzentration. So wissen die Leser, welche Effekte sie mit den Übungen bewirken können.
Am Ende des Buches finden Sie noch ein Glossar, in dem die Fachbegriffe ausführlich erläutert werden. Für alle, die noch tiefer in das Thema einsteigen wollen.

ÄRZTE.DE: Neben den Übungen nimmt Ernährung ja einen großen Teil des Ratgebers ein. Ist die Ernährung denn so ein wichtiger Faktor beim Gedächtnistraining?

Andrea Friese: Auf jeden Fall. Wenn wir bedenken, dass unser Gehirn nur 2 % unseres Körpergewichts ausmacht, aber bis zu 20 % des Energieverbrauchs benötigt, dann ist es ganz klar, dass unser Gehirn beim Denken Unterstützung braucht. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist für das körperliche und mentale Befinden wichtig, das ist wissenschaftlich erwiesen. Wenn wir auf einzelne Lebensmittel in unserem Ratgeber eingehen, weisen wir immer auf entsprechende Studienergebnisse hin. Uns liegt es aber fern, mit erhobenem Zeigefinger auf die Vorzüge einer gesunden Ernährung einzugehen, weil Essen und Trinken bei jedem Menschen eine andere Rolle spielen und es hat auch jeder einen eigenen persönlichen Stoffwechsel. Unsere Ernährungstipps sind deshalb als Informationen zu verstehen, zur Unterstützung der geistigen und körperlichen Ressourcen.

ÄRZTE.DE: Gibt es noch andere Dinge, worauf ich für ein starkes Gedächtnis achten sollte?

Andrea Friese: Gesund ist eigentlich alles, was Abwechslung bietet: geistig rege bleiben, positiv denken, offen sein für Neues. Routinen im Alltag sollten Sie durchbrechen. Immer mal neue Denkwege einschlagen, ganz bewusst. Zum Beispiel einen anderen Weg zum Einkaufen nehmen oder Einkaufszettel aus dem Kopf abarbeiten, den Zettel also nur zur Not benutzen.

Darauf weisen wir im Ratgeber auch immer mal wieder hin. Ein Stück Achtsamkeit gehört dazu. Achtsamkeit ist gerade ein Modewort. Es heißt aber nichts anderes, als sich selbst wahrnehmen. Das ist eigentlich schon immer wichtig. Nicht nur im Rahmen des Trends.

Außerdem sollte man, wie im Ratgeber beschrieben, täglich eine Bewegungsübung und eine Denkaufgabe machen. Suchen Sie sich Übungen raus, die Spaß machen. Wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, macht das gar nichts. Das Gehirn arbeitet ja beim Training auf Hochtouren. Wenn wir bestimmte Dinge automatisiert haben, dann braucht es dafür auch keine Energie mehr.

ÄRZTE.DE: Nach so vielen Jahren mit dem Gedächtnistraining haben Sie da noch einen Geheimtipp für alle Leser?

Andrea Friese: Ganz wichtig ist es, soziale Kontakte zu pflegen. Die Grausubstanz im Gehirn, umgangssprachlich die grauen Zellen, bei Menschen mit einem breiten sozialen Umfeld viel dichter ist als bei Personen, die nur wenig soziale Kontakte haben und unter Einsamkeit leiden. Das haben Wissenschaftler des Jülicher Instituts für Neurowissenschaften und Medizin gemeinsam mit drei anderen Universitäten herausgefunden. Gerade jetzt in der Pandemie merkt man das bei sehr vielen älteren Menschen. Viele Angestellte in Altenheimen sagen, die Bewohner haben kognitive Fähigkeiten verloren. Vielleicht auch weil Gruppenangebote nicht mehr stattfinden können, das ist ganz klar. In einigen Heimen durften die Leute die Zimmer nicht verlassen, dadurch waren die sozialen Kontakte noch viel mehr eingeschränkt. Kinder und Angehörige durften nicht kommen, Ehrenamtler auch nicht. Bewohner mit Demenz, aber auch geistig fitte Menschen haben deshalb kognitiv abgebaut. Gerade das Sprechen mit Leuten, die Formulierung bewegt viel im Gehirn. Deshalb sind soziale Kontakte ganz wichtig und geistige und körperliche Aktivitäten zusammen mit einer ausgewogenen Ernährung. Alles hat Einfluss auf unser Gedächtnis.

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