Die deutsche Umweltbelastung – Wie sinnvoll sind Grenzwerte?

Seit dem Abgasskandal Ende 2015 sind die Themen Dieselverbote und Grenzwerte für Schadstoffemissionen regelmäßiger Streitpunkt in der Politik. Vier Jahre später wurde die Debatte durch ein von 100 deutschen Fachärzten und Fachärztinnen unterschriebenes Positionspapier angeheizt. Deren Behauptung: Die gesundheitlichen Gefahren von Feinstaub und Stickstoffdioxid sind wissenschaftlich nicht belegt und die Zweckdienlichkeit aktueller Grenzwerte somit fraglich. Internationale Lungenärzte und Lungenärztinnen haben diesen Aussagen kurz darauf widersprochen. Doch wie ist eigentlich die Faktenlage in Deutschland? Lässt sich die aktuelle Situation so einfach zusammenfassen? Wir betrachten beide Argumentationsseiten.

Stickstoffdioxid und Feinstaub im Überblick

Gemeinsam mit der Verbindung Stickstoffmonoxid gehört Stickstoffdioxid zu den Stickoxiden, die aus den Atomen Sauerstoff und Stickstoff bestehen. Stickoxide entstehen meist als Nebenreaktion eines Verbrennungsprozesses, also z. B. in Verbrennungsmotoren oder Feuerungsanlagen für Kohle, Gas, Holz etc. Stickoxide tragen somit nicht nur zur Ozonbildung, sondern auch zur Bildung von Feinstaub bei. Die wesentlichen Feinstaubquellen sind Verbrennungsprozesse in Kraftfahrzeugmotoren, Kraft- und Heizwerken oder in der Metall- und Stahlerzeugung, sowie die Landwirtschaft, wo Feinstaub durch den Austritt von „Vorläufersubstanzen“ wie Ammoniak gebildet wird.

EU-Kommission verhängt Grenzwerte

Im Mai 2018 verklagte die EU-Kommission Deutschland aufgrund der ausbleibenden Maßnahmen zum Erreichen der vereinbarten Grenzwerte für die Luftqualität. Vor allem die Automobilindustrie geriet nach dem Abgasmanipulationsskandal in den Fokus. In Deutschland besteht daher ein Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) Luft im Jahresmittel für Stickoxide. Für die Feinstaubbelastung gelten ähnliche Grenzwerte.

Wie gefährlich sind Stickstoffdioxid und Feinstaub?

In der Debatte um die Umweltbelastung stehen vor allem die Befürworter:innen und Gegner:innen der Grenzwerte im Mittelpunkt. Anstoß der Diskussion sind die schriftlich geäußerten Bedenken vonseiten deutscher Lungenärzte und Lungenärztinnen bezüglich der Sinnhaftigkeit von Grenzwerten für Stickstoffdioxid und Feinstaub. Sie stützen sich dabei besonders auf Fehlinterpretationen wissenschaftlicher Daten und unverhältnismäßig gezogene Zusammenhänge von stark belasteten Wohngebieten und dort auftretenden Todesursachen. Die Argumentation ist, dass solche epidemiologischen Studien nicht zulässig sind, da das Auftreten der Stickoxide nicht nur beschrieben, sondern in eine kausale Beziehung zu den Todesfällen gesetzt wird.

Befürworter:innen der Grenzwerte stützen sich jedoch auf genau solche Studien: So wurde bspw. die Auswirkung von Feinstaub auf Menschen und Tiere getestet, wobei durch Expositionskammern der Einfluss anderer Schadstoffe ausgeschlossen wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass der Feinstaubeinfluss Entzündungsreaktionen im Immunsystem anregt. Dies kann in der Folge zur Bildung von Blutklumpen führen und somit das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko erhöhen. Auf lange Sicht steigt u. a. das Risiko auf Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Diabetes.

Beide Seiten sind sich zwar einig, dass der direkte Einfluss hoher Werte an Stickoxiden in der Luft gesundheitsschädlich wirkt. Es sind die Grenzwerte, welche die Lager spalten. Während Befürworter, wie z. B. auch das Forum der Internationalen Lungengesellschaften (FIRS), die Grenze sogar als zu hoch betrachten, sehen die Gegner:innen in erster Linie eine unnötige finanzielle Belastung für Kommunen, die Fahrverbote für unverhältnismäßig niedrig gesetzte Umweltgrenzwerte umsetzen müssen. 

WHO: Grenzwerte für Luftverschmutzung viel zu hoch

Die Luftqualitätsgrenze in Deutschland wurde im Jahr 2022 nahezu überall eingehalten. Lediglich in München und Essen wurden die Grenzwerte an zwei verkehrsnahen Messstationen überschritten.

Trotz der positiven Entwicklung gibt Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), zu bedenken, dass „die geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid vor mehr als 20 Jahren festgelegt wurden und nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung entsprechen.“ Aufgrund dessen fordert die EU-Kommission schärfere Grenzwerte, die sich an den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientieren, sprich 10 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3). Dieser Wert wurde letztes Jahr von rund drei Viertel aller Messstationen überschritten. Insbesondere Ballungsräume und Städte lagen weit über der von der WHO empfohlenen Luftqualitätsgrenze. Laut dem Umweltbundesamt sind Dieselfahrzeuge die Hauptquelle für Stickstoffdioxid.

Entwicklung der NO2-Jahresmittelwerte

Wichtig: Bei den WHO-Leitlinien handelt es sich lediglich um Empfehlungen. Rechtlich verbindliche Grenzwerte werden vom jeweiligen Gesetzgeber festgelegt. Ob sich an diesen künftig etwas ändert, bleibt abzuwarten.

Dieser Beitrag ist in Kooperation mit der Bausparkasse Mainz AG (BKM) entstanden.

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