Biohacking: So programmieren Sie Ihren Körper

Biohacking ist ein recht neues Phänomen. Dennoch findet die Bewegung immer mehr Anhänger auch unter Medizinern. Das besondere daran: Die Mitglieder der Szene sammeln Daten und Fakten über die Funktionsweise unseres Körpers und nutzen sie, um sich selbst zu optimieren. Dabei treffen viele verschiedene Ideen und Theorien aufeinander. Cyborgs mit Implantaten und Menschen, die möglichst lange Leben wollen, gehören ebenso dazu, wie Gesundheitsinteressierte oder Experten, die Viren und Krankheiten erforschen. Am Ende findet jeder sein eigenes, ganz spezielles Rezept für ein erfülltes Leben.

Max Gotzler ist einer der bekanntesten Biohacker Deutschlands. Um seine Erkenntnisse zu teilen, hat er jetzt sogar ein Buch geschrieben. In „Biohacking – Optimiere dich selbst“ verrät er seine besten Tricks und gibt Tipps, wie jeder seinen Körper hacken kann. Mit uns hat er im ÄRZTE.DE Interview über die Szene und sein Leben im Flow gesprochen:

Max Gotzler Biohacking Optimiere dich selbstÄRZTE.DE: Wie sind Sie zum Biohacking gekommen?

Max Gotzler: Ursprünglich komme ich aus dem Basketball. Für ein Stipendium war ich vier Jahre in den USA und habe dort auf höchstem Leistungsniveau gespielt. Wir hatten damals einen Trainer, der uns sehr vermessen hat. Jede Woche habe ich in unserem Umkleideraum eine Tabelle bekommen mit meinen Zahlen und den Veränderungen zur Vorwoche. Darauf basierend konnte ich meine Leistungen und mein Training ideal anpassen, um dann zum wichtigsten Zeitpunkt, zu den Playoffs, topfit zu sein. Ich fand das Konzept sehr spannend. Damals, so um 2008, war das nur für Leistungssportler verfügbar. Als ich zurück nach Deutschland kam, habe ich die Idee mitgenommen und ein Diagnostik-Startup gegründet.
Wir haben Leuten geholfen ihre Blutwerte über eine Webseite zu interpretieren und gleichzeitig versendbare diagnostische Tests angeboten. Die Ergebnisse haben wir mit ein paar Ratschlägen versehen, zum Beispiel „Trink ein Glas Wasser nach dem Aufstehen“ oder „Gehe 30 Minuten in die Sonne“. Nach und nach habe ich darum mein heutiges Konzept gebaut. Mittlerweile konzentriere ich mich mehr auf das Inhaltliche. Ich habe eine Podcast-Serie angefangen, betreibe einen Blog und habe das Buch geschrieben. Jetzt basiert unser Geschäftsmodell viel mehr auf Life-Coaching: den Leuten beibringen, wie sie ihr Leben gesund gestalten können.

ÄRZTE.DE: Wie kommt dabei Biohacking zum Einsatz?

Max Gotzler: Biohacking ist kein Trend oder ein Dogma, sondern eine Werkzeugkiste. Genau, wie ein Schamane versucht, die Chakrenflüsse zu untersuchen, versucht ein Biohacker zu verstehen, wie die biologischen Systeme miteinander funktionieren. Zum Beispiel wie Ernährung und Bewegung sich auf den Schlaf auswirken. Mit Messungen, Daten und Studienergebnissen macht er diese Zusammenhänge verifizierbar. Ich versuche, die Werkzeuge dann zu bündeln und sie den Leuten zur Verfügung zu stellen, damit sie diese in ihre eigenen Hände nehmen und etwas verändern können.

ÄRZTE.DE: Was ist das Ziel dabei?

Max Gotzler: Die Ziele beim Biohacking sind sehr individuell. Dazu habe ich einmal eine Umfrage unter meinen über 20.000 Lesern gemacht. 70 % in etwa wollen abnehmen, 25 % mehr Energie haben und motivierter sein. Interessanterweise gibt ein ebenfalls großer Anteil an, dass die Ansprüche an sich selbst sehr hoch sind und dass sie besser damit umgehen wollen.
Das ist aber auch das besondere an Biohacking: Es gibt Ihnen ein Werkzeug an die Hand, verschiedene Methoden und Techniken zu finden, um ein Problem zu bearbeiten. Wenn ich zum Beispiel Stress bewältigen will, würde eine gewisse Atemtechnik helfen. Wenn ich abnehmen möchte, ist Ernährung meistens der erste Schritt. Danach aber schon wieder Stress und auch Schlaf ist ein ganz wichtiges Thema.

ÄRZTE.DE: Und was ist Ihr ganz persönliches Biohacking-Ziel?

Max Gotzler: Als Sportler kenne ich den Zustand des Flows sehr gut. Die Basketballer nennen ihn „in the zone“ Ein Jazzspieler sagt „in the pocket“, wenn er einen Ton nach dem anderen trifft. Ein Standup-Comedian würde sagen, er ist in der „forever box“, wenn er nur gute Witze raushaut. So hat eigentlich jeder Bereich der Performer einen Zustand, in dem man sich komplett im Moment verlieren kann, vergisst, was andere über einen denken und einfach mit dem Energiefluss mitfließt. Ich glaube, jeder kennt diesen Zustand. Manch einer vielleicht beim Wandern, der andere beim Basketball spielen und der dritte beim Schreiben. Mein Ziel ist ein Leben mit möglichst vielen Momenten im Flowzustand, in denen man sich verlieren kann und möglichst präsent ist. Einfach einer Aktivität nachgehen und nicht an morgen oder gestern denken. Das ist für mich ein erfülltes Leben.

ÄRZTE.DE: Wo beginne ich am besten mit dem Biohacking?

Max Gotzler: Für den Einzelnen ist es erst mal wichtig, zu definieren, was will ich denn eigentlich. Abnehmen ist dabei wertfrei. Stattdessen sollte ich mich fragen: Geht es um ein Ego-Thema, will ich Köpfe am Strand verdrehen? Oder möchte ich mich besser in meiner eignen Haut fühlen? Oder vielleicht mehr Energie haben, mehr schlafen, länger gesund bleiben?
Ich glaube, wenn Ihnen bewusst wird, was Sie für sich selbst wollen, dann haben Sie später eine viel größere Motivation, die richtigen Werkzeuge zu finden. Meine Kunden bekommen deshalb zunächst einen Fragebogen, um das zu konkretisieren. Erst im Anschluss schmieden wir einen Plan.
Wenn es dann in die Umsetzung geht, empfehle ich immer, bei den großen Sachen anzufangen. Sagen wir, Sie möchten sich gesünder ernähren. Dann sollten Sie anfangen, Ihre Küche zu optimieren: Alles raus, Kühlschrank ausräumen, sich von Sachen trennen, die Sie nicht essen wollen. Anschließend können Sie die Schränke mit Sachen befüllen, die Sie gerne essen möchten. So ernähren Sie sich fast automatisch gesund, wenn Sie in die Küche gehen. Sie hacken sozusagen Ihre Küche. Denn für mich ist das Umfeld entscheidend. Je besser das Umfeld ist, desto weniger muss ich mich disziplinieren und desto mehr mache ich automatisch richtig.

ÄRZTE.DE: In Zeiten des Internets gibt es viele, unterschiedliche Gesundheitstipps. Wie filtern Sie heraus, welche Sie ausprobieren möchten?

Max Gotzler: Ich persönlich halte mich an den Spruch: Ich vertraue Leuten über 50. Ich kenne einige Therapeuten und Mediziner, die schon länger dabei sind und forschen. Wenn ich eine Frage habe, dann frage ich oft die. Denn sie haben für sich auf Basis ihrer Theorien, ein gesundes, erfolgreiches Leben geschaffen. Im Zweifel gebe ich lieber ihnen den Vertrauensvorschuss als irgendwelchen Selbstexperimenten von Biohackern. Zudem gibt es viele Studienergebnisse auch online. Das verfolge ich natürlich sehr genau, aber man sollte dabei auch vorsichtig sein. Wenn möglich suche ich immer den direkten Kontakt zu den Experten und Ärzten, um ihre Ergebnisse wirklich zu verstehen. Die aktuelle Studienlage ist wichtig. In Kombination mit einem Selbstexperiment und der eigenen Intuition, glaube ich, ist man auf einem ganz guten Weg.

ÄRZTE.DE: Neue Studien bringen auch immer neue Ergebnisse. Was ist, wenn ich plötzlich nach veralteten Erkenntnissen optimiert habe?

Max Gotzler: Es ist noch gar nicht so lange her, da war fettreiche Ernährung verpönt. In unserem Bereich ist die Ketoernährung gerade im Kommen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass in ein paar Jahren eine komplett andere Ernährungsweise erkannt wird. Vielleicht finden wir heraus, dass gewisse Fette überhaupt nicht gut sind und andere wieder besser. So was kommt natürlich ständig auf. In zehn Jahren werde ich wahrscheinlich mein Buch lesen und ein paar Sachen finden, die ich umschreiben könnte. Da muss man gewappnet sein. Allerdings ist das auch das Interessante beim Biohacking: Die Methode bezieht automatisch immer wieder die neusten Erkenntnisse mit ein. Schon allein, indem die Leute in der Szene, neue Ergebnisse sofort mit Selbstexperimenten ausprobieren.

ÄRZTE.DE: Welche Biohacks sollte Ihrer Erfahrung nach jeder befolgen, um seine Gesundheit zu verbessern?

Max Gotzler: Genau, wie unser Tagesablauf von unseren Hormonzyklen und verschiedenen Prozessen im Körper beeinflusst wird, so ist unsere Gesundheit für mich rhythmisch. Ich beobachte mehr und mehr, dass Leute, die sehr rhythmisch leben, generell glücklicher und gesünder sind. Denn der Körper hat eine gewisse Rhythmik und einen Takt. Je mehr Sie ihn wieder in Einklang bringen mit Ihrem Umfeld, desto gesünder leben Sie. Das ist für mich eine der ersten Sachen, die jeder angehen sollte: Versuchen Sie eine gewisse Rhythmik in die Nahrungsaufnahme und die Bewegung einzuarbeiten. Vielleicht sogar mit verschiedenen Tagen, an denen intensiv gearbeitet oder an denen wieder zur Ruhe gekommen wird.
Das andere ist definitiv natürliches Sonnenlicht Tanken. Auf Lichtfrequenzen stellt sich jeden Tag unsere innere Uhr ein und wir verbringen so viel Zeit in künstlich gestalteten Räumen unter Kunstlicht, besonders mit dem Smartphone. Das Smartphone hat viermal so viel Blaulicht wie das natürliche Sonnenlicht. Es ist ein enorm süchtig machendes Gerät, es strahlt und es unterdrückt unsere Melatonin-Produktion. Dabei gibt es das Smartphone erst seit 2007. Ich denke, wenn die Langzeitstudien jetzt langsam kommen, werden sie feststellen, dass es uns kränker macht. Deswegen ist mein Nummer Eins Tipp für jeden: Sich möglichst viel Zeit ohne Smartphone verschaffen.

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