Zuspruch und Kritik an der generalistischen Pflegeausbildung (von Ärzten, Pflegemanagern, Gewerkschaften, usw. )

Die Umgestaltung der Pflegeberufe rückt immer mehr in den Vordergrund. Doch was bringt sie wirklich? Und hat sich tatsächlich so viel geändert, wie angekündigt wurde?

Die wichtigsten Veränderungen in der Pflegeausbildung

Die wichtigsten Veränderungen in der Pflegeausbildung sind beispielsweise die Umbenennung der Ausbildung und des Berufs. Die sogenannte Generalistische Pflegeausbildung, bringt nun nicht mehr Gesundheits- und Kranken- oder Altenpfleger:innen hervor, sondern auch Pflegefachkräfte.

Die Zugangsvoraussetzungen wurden ebenfalls neu geregelt, wobei sich hier in der Praxis nicht wirklich etwas verändert hat. Der Aufschrei, dass Hauptschüler:innen nun keine Chance mehr bekämen, einen Pflegeberuf zu ergreifen, verstummte schnell. Es wurde klar, dass sie lediglich eine Art Vorqualifizierung machen müssen, die im Grunde dem ersten Ausbildungsjahr gleichgestellt ist, da es angerechnet wird. Von Ärzten/ Ärztinnen und Pflegern/ Pflegerinnen wurde hierbei allerdings kritisiert, dass der Wissensstand von Auszubildenden im zweiten Jahr nicht der gleiche wäre.

Die scheinbare Erhöhung des Bildungsniveaus für Pflegeschüler:innen ist Illusion. Ohne die Hauptschulabsolventen/ Hauptschulabsolventinnen würden Auszubildende fehlen. Daher ist es grundsätzlich gut, ihnen mit einem niedrigschwelligen Angebot den Zugang zur Ausbildung zu ermöglichen. Doch Defizite, die in den Helferseminaren teilweise auftreten, benachteiligen die Azubis ggf. und führen dazu, dass sie das dritte Ausbildungsjahr gar nicht erst antreten.

Außerdem sollte die Pflegebranche dafür sorgen, dass alle Bereiche die gleiche Wertigkeit und Wertschätzung haben. Altenpflege ist ebenso anspruchsvoll und wichtig wie Krankenpflege. Hier sollte das Konzept der Generalistischen Pflegeausbildung Brücken schlagen. Doch dies gelingt nicht ausreichend.

Ursprung des Fachkräftemangels in der Pflege

Reformiert wurde unter dem Aspekt, dem Fachkräftemangel in der Pflege effektiv zu begegnen. Im Moment ist es wohl noch zu früh konkrete Ergebnisse auswerten zu können. Aktuell gibt es noch keinen Ausbildungsjahrgang, der die 3jährige Generalistische Pflegeausbildung vollständig absolviert hat. 

Ungleiche Voraussetzungen für Auszubildende, vor allem für Pflegeschüler:innen mit Hauptschulabschluss, führen dazu, dass diese im zweiten Ausbildungsjahr Lernschwierigkeiten bekommen und sich eventuell gar nicht erst auf das dritte und alles entscheidende Ausbildungsjahr einlassen wollen. Damit gibt es zwar durchaus gut qualifizierte Pflegehelfer:innen, doch die für den Personalschlüssel notwendige Ausbildung der Fachkräfte, die Schichtverantwortung übernehmen können, bleibt aus.

Zusätzlich werden Auszubildende in den Praxiseinsätzen frustriert, da sie wahrnehmen, dass die examinierten Kräfte für unwesentlich mehr Gehalt, eine deutlich höhere Verantwortung tragen. Statt zu bedauern, den Abschluss nicht versucht zu haben, werden sie in ihrer Entscheidung bestärkt, ganz nach dem Motto: Wer weiß, was mir erspart bleibt?

Die Generalistische Pflegeausbildung und ihr internationales Image

Es ist kein Geheimnis, dass die Pflegenden in anderen Ländern teilweise studieren müssen, um ihren Abschluss zu erlangen. In Deutschland ist die Ausbildung zwar gut, dem Vergleich zu internationalen Standards hält sie jedoch kaum stand. Wer als ausgebildete Kraft beispielsweise in den USA in der Pflege arbeiten möchte, wird dort mit einem müden Lächeln begrüßt und wie ein Zivi eingesetzt. Ausgerechnet in dem Land, in dem das Gesundheitswesen als besonders schwierig gilt, sind die Mitarbeiter:innen in der Pflege mit am besten qualifiziert. Sie tragen Doktortitel und Patienten/ Patientinnen wissen oft nicht, wer Arzt/Ärztin und wer Pfleger:in ist.

Die Generalisierung bedeutet eine Vereinheitlichung der Ausbildung. Das soll Pflegefachkräften ermöglichen leichter in andere Bereiche zu wechseln. In der Praxis wird dies jedoch nach wie vor schwierig sein. Wer seine beruflichen Ersterfahrungen in der Altenpflege gesammelt hat, kann nicht spontan in den klinischen Betrieb wechseln bzw. bestenfalls auf die geriatrische Station. Die Arbeitsschwerpunkte sind selbst für Klinikmitarbeiter:innen teilweise zu unterschiedlich.

Warum ausgerechnet die Kinderärzte empört sind

Kinder sind kleine Menschen. Sie erfordern allerdings ein ganz besonderes Vorgehen, speziell, wenn sie krank sind. Kinderärzte/Kinderärztinnen befürchten, dass Auszubildende in der Generalistischen Pflegeausbildung nicht ausreichend auf die besonderen Anforderungen in der Kinderkrankenpflege vorbereitet werden.

Bis zur Reform des Pflegeberufes war das Berufsbild Kindergesundheits- und Krankenpfleger:in (alt Kinderkrankenpfleger:in) eine eigenständige dreijährige Ausbildung. Zwar haben die Akademien der Unikliniken hier theoretische Inhalte schon immer in den ersten zwei Jahren mit den Klassen der allgemeinen Krankenpflege zusammengelegt, doch die spezifischen Ausbildungsinhalte wurden getrennt vermittelt. Kinderärzte/Kinderärztinnen und Pfleger:innen in Kinderkliniken befürchten, dass die ohnehin schwierige Situation weiter eskalieren wird. Außerdem kostet es interessierte Auszubildende weitere zwei oder drei Jahre, um sich fachlich spezialisieren zu können. Dies ist nötig, um beispielsweise auf Kinderintensivstationen arbeiten zu können. Geht man bei der abgeschlossenen generalistische Berufsausbildung von einem Durchschnittsalter von 21 Jahren aus, sind Interessierte in dem Lebensabschnitt, in dem die eigene Familienplanung zum Thema wird. Statt ihre Fachkenntnisse anzuwenden, gehen sie in Erziehungszeiten oder treten beruflich kürzer, was den Pflegenotstand nicht nur in der Kinder- und Jugendmedizin verschlimmern wird. Dieses Problem haben alle Fachabteilungen von der Psychiatrie bis zur Palliativen Pflege.

Warum Auslandsprogramme nur wie ein Wasser auf dem heißen Stein wirken

Rekrutierungsprogramme im Ausland sind seit Jahren an der Tagesordnung. Nicht nur große Klinikverbände oder Unikliniken suchen in Asien oder Osteuropa nach qualifizierten Pflegekräften. Doch stehen Aufwand und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis?

Triple Win

Bereits seit knapp zehn Jahren läuft das Programm Triple Win mit dem Ergebnis, dass bis letztes Jahr weniger als 5000 Kräfte rekrutiert wurden. Corona hat den Ländern, die am Programm teilnehmen, zudem bewiesen, wie gefährlich es ist, qualifiziertes Personal abwandern zu lassen. Serbien hat die Pandemie zum Anlass genommen, aus dem Programm auszusteigen.

Westbalkanregel

Die Westbalkanregel läuft im kommenden Jahr aus, nachdem sie 2020 um drei Jahre verlängert wurde. Dieses Programm hat immerhin mehr als 35 000 Pflegekräfte nach Deutschland geholt. Hier waren die Einwanderungshürden allerdings auch nicht hoch.

Verschiebung des Problems

Deutschland sollte sein Gesundheitssystem nicht auf Kosten anderer Länder retten. Jeder siebte Arzt/ jede siebte Ärztin hat eine ausländische Staatsbürgerschaft. Deutsche Ärzte/ Ärztinnen und Pfleger:innen hingegen zieht es ins Ausland. Probleme können nicht gelöst werden, indem prekäre Situationen mit Personal ausgesessen werden, das noch problematischere Zustände gewöhnt ist.

Qualitativ gute Versorgung erfordert vor allem Kommunikation zwischen Ärzten/ Ärztinnen, Pflegern/ Pflegerinnen und Patienten/Patientinnen. Die Sprache ist, neben der Anerkennung der ausländischen Abschlüsse, eines der größten Probleme.

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