Patientenkommunikation: Ein Leitfaden für Ihre Praxis

Eine ältere Frau in blauem Pullover spricht mit einer jüngeren Frau an einer Rezeption und füllt ein Formular auf einem Klemmbrett aus. Im Hintergrund sind ein Wartebereich und ein Glastrennwand zu sehen.

Wann haben Sie mit Ihrem Team das letzte Mal über die Patientenkommunikation gesprochen? Ist schon eine Weile her? Dann könnte unser Leitfaden ein Anstoß für Sie sein, sich mal wieder mit dem Thema zu beschäftigen. Denn die (schlechte) Kommunikation ist, laut einer Studie der Harvard Medical School von 2002, der häufigste Grund für einen Arztwechsel. Oft reichen dabei schon kleine Veränderungen, um die Situation in Ihrer Praxis zu verbessern.

Regel Nummer 1: Nehmen Sie die Perspektive der PatientInnen ein

Ob am Telefon, am Empfang oder in Labor und Sprechzimmer, bevor Sie ein Gespräch mit PatientInnen beginnen, gilt: Tief durchatmen und die Sichtweise des Gegenübers wahrnehmen. Je nach Situation bringt dieser seine ganz eigenen Erwartungen und Gefühle mit. Manch einer hat vielleicht Angst vor schlechten Nachrichten, ist gestresst oder fühlt sich gerade einfach nicht gut. Oft haben PatientInnen auch schon negative Erfahrungen bei einem Arztbesuch gemacht. Sie wurden vielleicht nicht ernstgenommen oder haben gar nicht erst einen Termin bekommen. All das kann ein Gespräch – auch wenige Minuten zur Terminvereinbarung am Telefon – belasten und die Kommunikation stören.

Andersherum können PatientInnen Ihre Sichtweise oft nur schwer nachvollziehen. Sie kennen die Abläufe der Praxis nicht und wissen auch nicht, ob es gerade ruhig oder hektisch zugeht. In vielen Fällen kann schon ein Halbsatz zur Entspannung beitragen.

„Mittwochnachmittag bieten wir keine Termine an, da die Ärztin Hausbesuche macht.“

„Die Wartezeit ist heute leider etwas länger, da wir viele Notfälle haben.“

„Kommen Sie bitte 15 Minuten vor Ihrem Termin, damit wir noch die Laboruntersuchungen machen können.“

Selbst aufgebrachte PatientInnen können durch eine für sie nachvollziehbare Erklärung besänftigt werden. Manchmal müssen sie sich dennoch den Frust von der Seele reden. Das ist Ihnen sicher auch schon passiert. Dabei richtet sich der Ärger nicht gegen Sie persönlich, sondern gegen die Umstände. Wer sich das vor Augen hält, kann auch in schwierigen Situationen dem Kommunikationsleitfaden folgen; und so hoffentlich zu guter Kommunikation zurückfinden.

Der Kommunikationsleitfaden für Ihre Praxis

Wie PatientInnen die Kommunikation in Ihrer Praxis wahrnehmen, hängt von vielen, teils individuellen Faktoren ab. Zudem sind die Voraussetzungen bei jedem Gespräch ein bisschen anders. Sie und Ihr Team können also nicht einfach verschiedene Gesprächssituationen auswendig lernen und dann abspielen. Dennoch können einige Grundregeln helfen, die Kommunikation mit PatientInnen erheblich zu verbessern.

  1. Ruhiger Grundton

Wenig Zeit, viel Stress – so sieht der Praxisalltag bei Ihnen vermutlich öfter aus, als Ihnen lieb ist. Dennoch tun sie Ihr Möglichstes, ausreichend Zeit für jedes Anliegen mitzubringen. Das sollten PatientInnen auch bemerken. Dabei hilft der Grundton in der Kommunikation. Wer gehetzt oder laut und aufgebracht spricht, wirkt unkonzentriert und wenig vertrauensvoll. Eine ruhige Stimme sowie ein eher langsames Sprechtempo dagegen zeigen: Ich nehme mir die Zeit, Ihre Fragen zu beantworten. Gleichzeitig haben Sie in einer ruhigen Gesprächsatmosphäre die Möglichkeit, über Gesagtes nachzudenken und eventuell angemessener zu reagieren.

  1. Positiv beginnen

Ein positiver Gesprächseinstieg schafft oft den Rahmen für ein gutes Miteinander. Die Begrüßung zeigt den PatientInnen, das sie bei Ihnen willkommen sind und das Sie sie als Individuum wahrnehmen. Sie sind nicht schon die zehnte Person, die heute mit dem gleichen Anliegen vor Ihnen steht, sondern ein eigenständiger Mensch, der eigene Wünsche und Fragen mitbringt. Oft reicht dafür ein zusätzlicher Satz aus:

„Wir geben Ihnen sehr gerne einen Termin. In drei Wochen am xx.xx.xx um xx Uhr hätten wir etwas frei.“ statt „Leider haben wir erst in drei Wochen wieder etwas frei.“

„Schön, dass Sie es pünktlich zu Ihrem Termin geschafft haben. Kann ich Ihre Versichertenkarte sehen?“ statt „Haben Sie Ihre Versichertenkarte dabei?“

„Hallo, Herr / Frau Maier! Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Weshalb sind Sie denn heute in unserer Praxis?“ statt „Hallo! Sie haben einen Termin wegen Ihrer Schmerzen?“

  1. Auf die Körpersprache achten

Natürlich sollten Sie sich bei der Kommunikation mit PatientInnen nicht hinter dem Monitor oder Tresen verstecken. Zu einer offenen Körpersprache gehört aber noch mehr. Nehmen Sie Blickkontakt mit PatientInnen auf, wenden Sie sich Ihnen bewusst zu und neigen Sie auch den Oberkörper in Ihre Richtung. Die Arme sollten locker herunterhängen oder das Gesagte durch Gestik unterstützen. Verschränkte oder verkrampfte Haltungen machen keinen guten Eindruck.
Das gilt übrigens auch am Telefon. Studien haben gezeigt, dass der Gesprächspartner es unbewusst wahrnimmt, ob die Person am anderen Ende lächelt und eine aufmerksame Körperhaltung einnimmt oder schlecht gelaunt im Stuhl herumfläzt.

Exkurs: Ihre Körpersprache ist oft unbewusst und hat viel mit der eigenen Persönlichkeit zu tun. Rollenspiele mit den anderen Teammitgliedern können helfen, negative und positive Beispiele auszuprobieren. Durch das Feedback von Außenstehenden können alle dazulernen.

  1. Klar und ehrlich sein

Wir scheuen uns oft davor, Negatives anzusprechen. Selbst schätzen wir aber meist Klarheit und Ehrlichkeit. Ähnlich geht es auch Ihren PatientInnen. Statt zu hoffen, dass sie etwas nicht bemerken oder sich zumindest nicht darüber beschweren, sollten Sie deshalb lieber von Anfang an darüber sprechen. Zum einen kann das Gegenüber sich so besser darauf einstellen, zum anderen kann es selbst entscheiden, wie es mit der Information umgehen möchte.

„Heute ist die Wartezeit bei uns leider etwas länger.“

„Es kann ein paar Tage dauern, bis die Behandlung anschlägt.“

„Die anderen Patienten warten auf mich. Machen sie doch einen neuen Termin aus. Dann können wir gerne über Ihre anderen Beschwerden sprechen.“

  1. Aktiv zuhören

Gerade wenn wir es eilig haben oder gestresst sind, warten wir oft nur auf eine Gesprächspause, um unsere eigenen Anliegen loszuwerden. Aktiv zuzuhören und auf das Gesagte zu reagieren ist deshalb nicht immer einfach. Für eine gute Kommunikation mit den PatientInnen spielt es dennoch eine wichtige Rolle. Oftmals erfahren Sie dabei sogar Details, die für die Untersuchung oder Behandlung wichtig sind.

  1. Ziel im Blick behalten

Bei allem Verständnis für die PatientInnen haben Sie im Alltag dennoch wenig Zeit. Oft sind nur ein paar Minuten für jedes Gespräch eingeplant. Damit Sie sich nicht im Small Talk verlieren oder vom Thema abschweifen, sollten Sie das Ziel jedes Gesprächs im Blick behalten. So können Sie sanft wieder dahin zurückführen.

„Das sollte sich die Ärztin auf jeden Fall genauer ansehen. Passt Ihnen der xx.xx. um xx Uhr?“

„Die vielen Baustellen zurzeit sind wirklich verrückt, aber ich glaube, mein Kollege hat jetzt gleich Zeit für Sie. Könnten Sie im Wartezimmer noch dieses Formular ausfüllen?“

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