Bei Unfällen sind sie als erste am Ort des Geschehens und leisten die Erstversorgung, so lange bis der Notarzt eintrifft: Notfallsanitäter:innen.
Nach einer grundlegenden Überarbeitung existiert das heutige Berufsbild seit 2014 und gilt als die höchste Qualifikation, die im Rettungsdienst ohne Studium erreicht werden kann. Trotz einer fundierten Ausbildung bewegen sich Notfallsanitäter:innen bei ihren Einsätzen oftmals in einer rechtlichen Grauzone.
Notfallsanitäter können sich mit einem invasiven Eingriff strafbar machen
Die dreijährige Ausbildung eines Notfallsanitäters ist darauf ausgelegt Notfallmaßnahmen an Patienten und Patientinnen durchzuführen. Damit soll die korrekte Versorgung leichter bis lebensgefährlicher Verletzungen sichergestellt werden, so lange bis der Notarzt oder die Notärztin vor Ort eintrifft.
Dennoch besteht bei jedem Einsatz die Gefahr einer Straftat. Trotz der umfassenden Kenntnisse und stetigen Fortbildungen ist es Notfallsanitätern und -sanitäterinnen rechtlich untersagt lebensrettende Maßnahmen wie eine Tracheotomie durchzuführen. Das Verabreichen von Schmerztabletten zählt ebenfalls zu den untersagten invasiven Eingriffen und kann im schlimmsten Fall als Straftat gewertet werden.
Aus diesem Grund arbeiten sie seit vielen Jahren in einer rechtlichen Grauzone. Verspätet sich beispielsweise der Notarzt oder die Notärztin aufgrund massiver Verkehrsbehinderungen und der Zustand des Patienten oder der Patientin verschlechtert sich rapide, steht der bzw. die Sanitäter:in vor der Wahl: Wenn er auf den Arzt oder die Ärztin wartet und keine invasiven Maßnahmen durchführt, kann er sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar machen. Greift er aber aktiv in die Versorgung des Betroffenen ein, besteht ebenfalls die Möglichkeit einer Straftat, da der Arztvorbehalt missachtet wird.
Ärzteverbände bei Gesetzesvorschlag gespalten
Um die rechtliche Lage zu verbessern, hat der Bundesrat einen Gesetzesvorschlag eingereicht, der es Notfallsanitätern und -sanitäterinnen erlaubt, im Ernstfall und ohne Konsequenzen, lebensrettende invasive Eingriffe selbstständig durchzuführen. Dieser Vorstoß hat ein gespaltenes Echo innerhalb der Ärzteschaft und bei Ärzteverbänden ausgelöst.
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hat sich mehrheitlich für den Änderungsvorschlag ausgesprochen. DIVI unterstreicht, dass das Notarzt-System damit nicht untergraben werden soll. Vielmehr sei es in einer Ausnahmesituation nicht vermittelbar, dass fachlich kompetente und fortlaufend neu geschulte Fachkräfte keine lebensrettenden Maßnahmen durchführen dürfen, solange kein(e) Notarzt oder Notärztin anwesend ist.
Dem Gegenüber stehen Verbände wie die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), Berufsverband der Deutschen Chirurgen e. V. (BDC) oder die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Diese sehen keinen Bedarf an einer Anpassung des aktuellen Notfallsanitätergesetzes und sprechen sich weiterhin für den bestehenden Arztvorbehalt aus.
Gesetzeslage weiter auf dem Prüfstand
Der Vorstoß zur Gesetzesänderung wurde im Bundesrat von den Bundesländern Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein vorangetrieben. Nach diesem Vorschlag hat sich die Bundesregierung für den Arztvorbehalt ausgesprochen und ist damit auf Gegenkurs zu den Ländern gegangen.
Dieser Status quo hat sich mittlerweile aber wieder geändert. Die Große Koalition hat ihren eigenen Gesetzesvorschlag nach einer Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss zurückgezogen. Damit ist wieder offen, ob und wenn ja wann ein Gesetz für mehr Rechtssicherheit von Notfallsanitätern umgesetzt wird.
Aktualisiert am 03.08.2023.