Stilldemenz – Mamas, Papas und graue Zellen

Viele zukünftige Eltern, besonders die Mütter, beginnen bereits zu Beginn der Schwangerschaft damit, sich über den aufregenden neuen Abschnitt ihres Lebens zu informieren. Zahlreiche Ratgeber, Gynäkologen und Hebammen geben Tipps zu allen Themen rund ums Kinderkriegen.

Im vertraulichen Gespräch mit Freunden, die selbst Eltern sind, erfährt die Mutter zudem, was vielleicht nicht in jedem Buch steht. Ein Beispiel könnte die sogenannte Stilldemenz sein, sorgt sie doch immer wieder für lustige Geschichten. Vor allem die Väter erwähnen dann gerne „wie tollpatschig und vergesslich ihre Liebste damals war“. Stilldemenz, so der Konsens der meisten Mütter, gehöre eben einfach dazu. Doch was bedeutet das eigentlich?

Stilldemenz - nicht für Fläschchenmamas? 

Zu Beginn sollte erst einmal mit dem Begriff „Stilldemenz“ aufgeräumt werden. Streng genommen ist er nämlich falsch. Im übertragenen Sinne vermag er zwar die Erlebnisse junger Eltern beschreiben, jedoch gibt es dafür keinerlei wissenschaftliche Grundlage. Das liegt daran, dass im Grunde keine Demenz vorliegt, es also auch keine Funktionsstörung des Gehirns gibt. Das Gedächtnis ist lediglich durch Stress und Schlafmangel in Mitleidenschaft gezogen worden. Und mit der Zeit und etwas mehr Schlaf verschwinden die Erscheinungen restlos.

Im Übrigen ist die sogenannte Stilldemenz nicht nur stillenden Müttern vorbehalten. Dies zeigt auch der Umstand, dass ebenso „Fläschchenmamas“ und manche Väter in den ersten Wochen nach der Entbindung betroffen sind. Denn nach der Geburt sorgt eine Mischung aus Schlafentzug und Stress für Beeinträchtigungen der Konzentration und des Gedächtnisses.

Schusselige Schwangere

Bei Müttern treten die Symptome aufgrund von „insomnischen Beschwerden“ bereits gegen Ende der Schwangerschaft auf. Die Rede ist von Schlafstörungen. Die werdende (und runde) Mutter hat Probleme eine geeignete Schlafposition zu finden, das Kind bewegt sich munter im Bauch und drückt dabei auf die Blase. Tiefschlaf ist Mangelware im letzten Trimenon (entspricht den letzten drei Monaten) der Schwangerschaft. Die Folgen sind Vergesslichkeit und mangelnde Konzentrationsfähigkeit.

Auch Studien zeigen, dass sich das Gehirn von Frauen im Laufe der Schwangerschaft hinsichtlich Gedächtnisleistung verändert. Besonders das prospektive Gedächtnis der Frau erfährt eine Beeinträchtigung. Dieser Teil des Gehirns sorgt dafür, sich an Termine für die Zukunft zu erinnern. Haben Sie sich etwa für nächsten Samstag um 15 Uhr im Café am Marktplatz verabredet, hilft das prospektive Gedächtnis daran zu denken.

Wunderwerk Gehirn

Forscher sehen den Sinn dieser Veränderung im Schutz der Mutter vor Reizüberflutung. Das Gehirn optimiert sich selbst und dabei gleich noch die Mutter-Kind-Beziehung. Ähnlich wie in der Pubertät, werden neuronale Netzwerke generalüberholt und spezialisiert. Eine Folge ist, dass sich Mütter, für bis zu zwei Jahre besser in andere hineinversetzen können. Hierbei handelt es sich nebenbei bemerkt ausschließlich um eine Steigerung der Effizienz, eine kognitive Beeinträchtigung liegt nicht vor. Bei den Vätern ändert sich zwar der Hormonhaushalt, ihr Gehirn allerdings nicht.  

„Mutter Natur“ stattet Frauen außerdem mit einer weiteren hilfreichen Fähigkeit aus, wenngleich ihr Nutzen erneut mit reichlich Schlaflosigkeit einhergeht: der „Ammenschlaf“ bezeichnet den äußerst leichten Schlaf von Frauen mit Kind. Sensible Warnsignale, die während des Schlafes bereits durch die allerleisesten Geräusche ausgelöst werden können, wecken die Mutter immer wieder auf. Diese Fähigkeit ist wichtig, klar. Dennoch raubt es ihr den Schlaf, da jeder „Mucks“ des Zöglings sie in Alarmbereitschaft versetzt. Und das ist anstrengend, vor allem auf Dauer. Gepaart mit nächtlichem Füttern, gleich ob mit Flasche oder Stillen, nimmt ihr der Ammenschlaf die Chance auf Tiefschlaf.  

Kortisol - Stresshormon mit guter Nebenwirkung 

Vergesslichkeit ist jedoch nicht zwangsläufig ein Nachteil. Wenn etwa das Stresshormon Kortisol für das Vergessen des Geburtsschmerzes sorgt und dabei negative Erinnerungen an die Entbindung verdrängt, schützt es die Psyche der Frau. Zum Glück! Die ungewohnten und großen Belastungen, die auf junge Eltern, vor allem Mütter, zukommen, sind schließlich groß genug. Sie sehen sich oft mit verschiedensten Ängsten konfrontiert: die Fürsorge des Neugeborenen und die eigene (scheinbare) Unzulänglichkeit, Sorge um die Existenz und die Partnerschaft. Das sorgt für Stress. Da werden der Geburtstag der Freundin, der Aufenthaltsort des Autos oder ein Termin schnell unwichtig.

Kuschelhormon Oxytocin

Neben Kortisol gibt es noch einen weiteren Verantwortlichen für mütterliche Vergesslichkeit: Oxytocin, ein wichtiges Hormon, das auch als „Kuschelhormon“ bekannt ist. Es hilft bei der Geburt, indem es Wehen auslöst und stimuliert später die Milchabgabe der Brust. Oxytocin beeinflusst aber auch das soziale Verhalten jedes Menschen, indem es zum Beispiel die emotionale Bindung von Mutter und Kind stärkt. Stillende Frauen beruhigt das Hormon, das durch das Saugen des Babys an der Brust vermehrt freigesetzt wird. Der Kortisolspiegel, der, wie oben beschrieben, Stress auslöst, wird gesenkt, die Mutter entspannt sich. Väter profitieren auch vom diesem Hormon, insbesondere beim Kuscheln oder Füttern des Babys. Das Gleiche gilt übrigens auch für den Säugling. Nach dem Stillen wird Oxytocin ausgeschüttet, das Baby ist ruhig und zufrieden, die meisten schlafen sofort ein. Dieser Vorgang wird von Müttern scherzhaft als „Milchkoma“ bezeichnet.

So hilfreich Oxytocin auch sein mag, es lenkt eben auch den Fokus der Mutter ganz klar auf ihr Kind. Und nichts anderes. „Priority Baby first“ nennen amerikanische Wissenschaftler dieses Phänomen, was schlicht bedeutet: Wenn es nichts mit dem Baby zu tun hat, ist es nicht wichtig.

Ein Ende ist in Sicht

Nach der Erkenntnis, dass Stilldemenz eine vorübergehende Erscheinung ist und mit dem Wachsen des Kindes vergeht, hilft eine entspannte Einstellung der Mutter, mit ihrer Vergesslichkeit umzugehen.

Der wichtigste aller Tipps ist: Schlafen, wenn das Baby schläft!

Hier noch ein paar weitere Tricks:

  • Wenn Sie stillen, tun sie dies am besten im Liegen und bei Dunkelheit, das erleichtert das Einschlafen.

  • Kurze Wege helfen. Stellen Sie zum Beispiel das Bettchen des Kindes neben Ihres.

  • Viel trinken! Besonders stillende Mütter sollten bei jedem Mal stillen ein bis zwei Gläser Wasser trinken. Pluspunkt: Eine ausreichende Wasserzufuhr unterstützt die Leistung des Gehirns.

  • Achten Sie besonders gut auf gesunde Ernährung und ausreichende Vitaminzufuhr. Stillende sollten hier ihren Mehrbedarf berücksichtigen.

  • Tägliche Bewegung an der frischen Luft tut Ihnen und dem Baby gut. In Ihrem eigenen Tempo, schon ein gemütlicher Spaziergang wirkt wahre Wunder.

  • Sanfte Sonnenstrahlen regen Ihren Hormonhaushalt zusätzlich an.

  • Post It’s – die kleinen Klebezettelchen helfen an sichtbaren Stellen beim Erinnern.

  • Sorgen Sie mithilfe eines Babysitters für babyfreie Zonen. Und das, auch wenn es schwerfällt, bereits früh. Ein entspanntes Bad, ein Besuch im Café mit einer Freundin, - ganz gleich wie. Schaffen Sie Raum für sich.

  • Wer sich sehr erschöpft fühlt, sollte sich Hilfe holen, beispielsweise von Partner oder Eltern. Eine Überlastung hilft weder der Mutter noch dem Kind.

  • Informieren Sie sich über Still-Cafés in Ihrer Nähe, vielleicht kann Ihre Hebamme weiterhelfen. In vertrauter Runde können sich Eltern dort über alle Themen rund um Kinder und das „Elternsein“ austauschen.

  • Überlassen Sie Multitasking lieber anderen.

  • Lachen als therapeutisches Mittel: Schreiben Sie Ihre Erlebnisse als Mutter auf, Ihre Patzer und Pannen, oder erzählen Sie sie anderen Müttern. Sie werden sehen, dass es nicht nur Ihnen so geht und dass Lachen hilft.
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