Veröffentlicht: 30.11.2023 | Lesezeit: 5 Minuten
Gesichts- und Schädelformen, wie einen „runden Kopf“, gibt es viele. Sie hängen von vererbten familiären Faktoren ab, aber auch von der Lagerung als Säugling und Kleinkind. Zusammen mit Dr. Michael Kremer, Spezialist für Craniofaciale Chirurgie, also Deformitäten des Schädels, haben wir die wichtigsten Informationen dazu zusammengetragen.
Von eher lang und schmal bis rund, Schädel können ganz unterschiedlich geformt sein. Neben einer Vielzahl normaler Schädelformen gibt es allerdings auch Schädeldeformitäten. Diese können angeborene sein oder durch genetisch bedingte Syndrome verursacht werden. Dabei wird das Wachstum der Schädel- und Gesichtsknochen und der Schädelnähte („Fontanellen“) gestört. Solche Deformationen werden heute frühzeitig bereits im Säuglingsalter in speziellen Zentren operativ behandelt („Craniofaciale Chirurgie“).
Doch auch Erwachsene können unter einem deformierten Schädel leiden. Dabei handelt es sich meist um lagerungsabhängige Schädeldeformitäten aus dem Säuglingsalter, die sich im Erwachsenenalter als flacher bzw. platter oder auch asymmetrischer Hinterkopf darstellen.
Ursachen für einen flachen oder platten Hinterkopf
In der Regel haben es die Eltern der erwachsenen Patienten und Patientinnen versäumt, ihre Babys in den ersten Lebensmonaten immer in wechselnder Position, also Seiten-, Bauch- und Rückenlage, hinzulegen. Grund dafür ist zum Beispiel eine übertriebene Angst vor dem plötzlichen Säuglingstod (SIDS), welcher mit einer zu langen Bauchlagerung, jedoch auch einer Unreife des zentralen Nervensystems in Verbindung gebracht wird.
Da der Schädelknochen in den ersten Lebensmonaten sehr weich und gut formbar ist, kommt es durch den Flächendruck auf den Hinterhauptschädel zu einer immer schlimmer werdenden und für das Umfeld sichtbaren Abflachung des Hinterkopfes. Die Eltern bemerken diese Auffälligkeit erstaunlicherweise meist nicht. Zum einen, weil sie das Kind jeden Tag sehen und die langsamen Veränderungen gar nicht merken. Zum anderen, weil sie keine Abnormität an ihrem Baby erkennen wollen, also die Augen vor einem Problem verschließen. Wenn ihnen dann noch von Kinderarzt oder Kinderärztin im Rahmen der Untersuchungen bestätigt wird, dass mit ihrem Kind alles in Ordnung sei, wird das „Tabuthema Kopfform“ weiter ignoriert - bis es zu spät ist.
Während der ersten Lebensmonate bis etwa zum ersten Lebensjahr wäre es möglich, durch konsequente Wechsellagerung und bei schwereren Deformitäten auch durch Anpassen von speziellen Helmen, die Ausformung des Schädels zu normalisieren. Wird dies aber unterlassen, hat das Kind bzw. spätere erwachsene Patient oder Patientin dauerhaft für das ganze Leben einen platten und/oder schiefen Hinterkopf.
Das Beschwerdebild bei Schädeldeformitäten
Betroffene können sich an dieser Schädeldeformität sehr stören. Auch wenn ihr Umfeld ihnen bestätigt, dass alles völlig normal sei, kann das diese Patienten und Patientinnen nicht von ihren Problemen befreien. Sie meiden oft das Duschen und Baden in Schwimmbädern oder im Urlaub am Strand und ziehen sich aus der Öffentlichkeit zurück. Sie vermeiden es, sich von der Seite fotografieren zu lassen und haben starke Selbstzweifel, die einer psychologischen Therapie in der Regel nicht zugänglich sind. Frauen versuchen ihre Haare zu toupieren, sodass der Hinterkopf rund erscheint, Männer lassen sich die Haare lang wachsen und stylen sie über den flachen Schädel, dass er möglichst wenig auffällt. Die Betroffenen sind mit diesen Maßnahmen jedoch oft über Jahrzehnte unglücklich und entwickeln Komplexe, welche ihre Freunde und Angehörigen nicht nachvollziehen können. Meist finden die Betroffenen erst nach längerem Suchen Informationen über Behandlungsmöglichkeiten und Implantate.
Behandlungsmöglichkeiten bei einem flachen oder platten Hinterkopf
Durch ein spezielles Implantat kann ein flacher oder platter Hinterkopf die gewünschte runde Form erhalten. Da es sich bei jedem Patienten um eine ganz individuelle Situation und Anatomie handelt, werden die Implantate maßangefertigt. Eine Computertomografie (CT) liefert vor der Operation eine passgenaue Vorlage.
Veraltete und vor allem sehr ungenaue Methoden, wie das Modellieren von aushärtenden Kunststoff- oder Mineralien-Massen während der Operation, sollten nicht mehr zur Anwendung kommen; ebenso wenig wie ungenaue Hartsilikon-Implantate, die mithilfe von Abdrücken auf der behaarten Kopfhaut hergestellte werden.
Ein gemeinsamer Planungsprozess und die Visualisierung des definitiven Implantats durch Arzt bzw. Ärztin und Patient bzw. Patientin sollten vor der Operation auf jeden Fall erfolgen. Nur so können Betroffene die von ihnen gewünschte Form bis zur Machbarkeitsgrenze mitbestimmen und weiß somit über das genaue ästhetische Ergebnis von vornherein Bescheid.
Operation und Nachsorge bei einer Schädeldeformation
In Vollnarkose wird in Bauchlage ein wellenförmiger Hautschnitt in der Kopfhaut gemacht. Haare müssen dafür nicht abrasiert werden. Durch den Schnitt wird der Skalp sozusagen aufgeklappt, danach die Knochenhaut vom Schädelknochen ab präpariert und das Implantat passgenau am Schädel mit mehreren kleinen Titanschrauben befestigt. Die Knochenhaut wird dann über das Implantat gelegt und festgenäht, die Kopfhaut mit Fäden und Klammern wieder zugenäht und der Kopf mit einem elastischen Wundverband verbunden.
Die Patienten und Patientinnen bleiben in der Regel ein bis zwei Nächte stationär in der Klinik. Die Haare können nach drei Tagen wieder gewaschen werden. Die Hautklammern werden nach drei Wochen entfernt. Arbeitsfähigkeit besteht meistens schon nach wenigen Tagen, weil bei entsprechend langen Haaren die Wunde für Außenstehende kaum zu erkennen und das Gesicht praktisch nicht geschwollen ist. Schmerzen enstehen allenfalls geringe im Sinne einer gewissen Spannung der Kopfhaut, welche abhängig von der Größe des Implantats ist. Das Implantat aus Poly-Eter-Eter-Keton- (PEEK) Kunststoff hält ebenso wie die Titan-Schrauben ein Leben lang. Die Schrauben müssen also nicht entfernt werden und wirken sich zum Beispiel bei Sicherheitskontrollen am Flughafen nicht negativ aus.
Das Ergebnis der Behandlung
Aufgrund der genauen Planbarkeit von Größe, Form und Position des Implantats gemeinsam mit dem Patienten oder der Patientin besteht eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit. Das Ergebnis ist schon einen Tag nach der Operation bei der Abnahme des Verbands sicht- und tastbar. In seltenen Fällen kommt es an manchen Stellen zu einer verbreiterten Narbenbildung, in welcher naturgemäß ja keine Haare wachsen. Wenn diese sichtbar ist oder stört, kann die Narbe in örtlicher Betäubung etwa ein halbes Jahr nach der Operation verschmälert werden.
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