Pubertät: Wenn die Hormone nicht mehr zu bremsen sind

Die Pubertät ist eine Zeit der Widersprüche. Kinder werden selbstständig und brauchen dennoch ihre Eltern. Sie sind waghalsig und trauen sich hinaus in die Welt, kämpfen aber auch mit Unsicherheiten und der Suche nach Anerkennung. Den Erwachsenen geht es nicht anders. Auf der einen Seite denken sie gerne an ihr eigenes Großwerden zurück; die kleinen Abenteuer, die engen Freundschaften, das Gefühl endlich erwachsen zu sein. Auf der anderen Seite sind da aber die Befürchtungen: Launische und maulige Kinder, die Regeln brechen und die man dennoch loslassen soll.

Die Pubertät stellt alle Familienmitglieder auf eine harte Probe. Verständlich, dass manch einer sie lieber überspringen würde. Tatsächlich beginnt sie heute aber sehr viel früher als noch vor 50 Jahren.

Die Pubertät beginnt immer früher

Wann die Pubertät genau beginnt, kann niemand vorhersagen. Aktuell liegt das Durchschnittsalter bei 8-10 Jahren. Der Start kann sich aber flexibel verschieben, etwa wenn ein bestimmter Körperfettanteil noch nicht erreicht ist oder bei einer Erkrankung. Die Statistiken zeigen allerdings, dass die Pubertät in den letzten 200 Jahren immer früher beginnt.

Diagramm Sinken des Durchschnittsalter zum Start der Pubertät von 1860 bis 2020

Die Gründe dafür könnten vielfältig sein. So spielt sicher die bessere Ernährung und allgemeine Versorgung eine Rolle. Einige Wissenschaftler vermuten allerdings, dass Plastikweichmacher, Pestizide oder Kosmetika den Hormonhaushalt beeinflussen könnten. So enthalten bestimmte Produkte zum Beispiel Östrogen, das die Pubertät je nach biologischem Geschlecht verzögern oder beschleunigen könnte. Experten raten deshalb, diese zu meiden. Wie stark ihr Einfluss ist, ist aber nicht bekannt. Das liegt auch daran, dass wir den eigentlichen Auslöser der Pubertät nicht kennen.

Nicht nur der Körper verändert sich in der Pubertät

Den Startschuss zur Pubertät kennen wir nicht. Doch hat sie einmal begonnen, produziert der Körper vermehrt Hormone. In den Eierstöcken sind das vor allem Östrogene und Gestagene, in den Hoden Androgene. Jeder Mensch hat all diese Hormone in unterschiedlicher Konzentration im Körper. Durch sie startet der Weg ins Erwachsenenleben.

Der Körperbau passt sich nach und nach an, Haare sprießen und die Geschlechtsmerkmale wachsen. Die äußerlichen Veränderungen sind für alle in der Umgebung offensichtlich. Inzwischen wissen wir aber, dass sich vor allem innerhalb des Körpers einiges tut. Wissenschaftler sprechen hier von einer Baustelle im Gehirn. Die Umbauarbeiten sind erst mit etwa 21 Jahren abgeschlossen und beeinflussen das Verhalten in der Pubertät.

Baustelle Gehirn: Die radikalen Umbaumaßnahmen während der Pubertät

In der Pubertät wird das Gehirn zur Großbaustelle. Vergleichbar mit einer Komplettsanierung wird es umfassend umgebaut; und zwar von hinten nach vorne, also vom Kleinhirn bis zum Stirnlappen. Nervenzellen und Verbindungen, die nicht regelmäßig gebraucht werden, lösen sich wieder auf. An anderer Stelle werden die Nervenfasern ausgebaut. So können Informationen schneller vermittelt werden. Am Ende nimmt die graue Substanz des Gehirns ab, während die weiße Substanz wächst. Die Jugendlichen können ebenso schnell denken und reagieren wie ein Erwachsener.

Die Veränderungen im Gehirn haben weitreichende Folgen:

Launen und Aggressivität

Da das Gehirn von hinten nach vorne saniert wird, reifen die emotionalen Bereiche sehr viel schneller. Sie dominieren eine Zeit lang die Reaktionen in der Pubertät, mit weitreichenden Folgen. Oft zeigen sich Jugendliche sehr viel emotionaler. Rasende Wut, große Trauer oder auch alles umfassende Betrübtheit sind keine Seltenheit. Die Gefühle zu kontrollieren, fällt ihnen zeitweise schwer.

Risikobereitschaft

Auch das Belohnungssystem im Gehirn, das Dopamin ausschüttet, hat einen großen Einfluss in der Pubertät. Es sorgt für Glücksgefühle, etwa wenn wir ein gutes Buch lesen oder gibt uns beim Bungee-Jumping den ultimativen Kick. Jugendliche schütten allerdings im Vergleich zu Erwachsenen wenig Dopamin aus. Sie brauchen deshalb sehr viel mehr Anreiz für einen „Kick“. Ob in der Realität, in Videospielen und Filmen oder beim Feiern mit Drogen und Alkohol – in der Pubertät steigt damit die Risikobereitschaft.

Zudem wird der Bereich im Gehirn für die Impulskontrolle und die längerfristige Planung als Letztes angepasst. Bis Kinder und Jugendliche in der Pubertät also Entscheidungen wie ein Erwachsener treffen können, vergeht sehr viel Zeit.

Müdigkeit und Nachtschwärmerei

Ob wir wach oder müde sind, bestimmt die Hormonausschüttung in unserem Gehirn. Wird es dunkel, schüttet es vermehrt Melatonin aus, sodass wir müde werden und schlafen können. Im Laufe der Pubertät verschiebt sich die Melatoninausschüttung allerdings zwei Stunden nach hinten. Jugendliche bleiben deshalb oft länger wach und sind morgens müde und unausgeschlafen.

Gruppenzwang und Selbstbewusstsein

In der Pubertät ändert sich auch die Selbstwahrnehmung. Wissenschaftler führen das auf Veränderungen der Oxytocin-Rezeptoren im Gehirn zurück. Jugendliche scheinen durch sie selbstbewusster zu werden. Das führt nicht nur zu der „mir-egal“-Haltung. Die eigene Bedeutung wächst und damit auch das Bewusstsein der eigenen Identität. Eine Abgrenzung zu bisherigen Normen und Werten, besonders durch die Eltern, ist die Folge. Jugendliche suchen nach neuen Gruppen und Idealen, zu denen sie gehören können. Das Zugehörigkeitsgefühl wird für eine Weile sehr wichtig.

 

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