Die Sprache der Menschlichkeit – ein Beitrag zur Pflege-Debatte

„Wir alle werden einmal gepflegt. Und wir alle sind Pflegende.“, schreibt Christie Watson in ihrem Buch Die Sprache der Menschlichkeit aus dem Goldmann Verlag. Die Autorin aus England beteiligt sich damit an einer Debatte, an der wir heute kaum noch vorbeikommen: Ist die Pflege für Kranke und alte Menschen gut genug? Und was sollte sich ändern, damit wir unsere Mitmenschen noch besser versorgen können?

Christie Watson hat jahrelang als Krankenschwester gearbeitet und dabei viele unterschiedliche Patienten gepflegt. In der Debatte steht sie deshalb klar auf der Seite der Pflegekräfte. Sie sieht aber nicht nur die Politik in der Verantwortung, sondern auch die gesamte Gesellschaft. Denn wie der zitierte Satz deutlich macht: Die Pflege geht uns alle an.

Wir haben mit ihr über die wichtigen Aspekte der Pflege und die nötigen Änderungen gesprochen:

(übersetzt aus dem Englischen)

Buchcover Die Sprache der Menschlichkeit Christie Watson

ÄRZTE.DE: In ihrem Buch schildern Sie viele negative Aspekte der Pflege, vor allem spürt man aber Ihre Liebe zu diesem Beruf. Warum haben Sie trotzdem aufgehört als Krankenschwester zu arbeiten?

Christie Watson: Die Pflege ist der härteste Job der Welt – aber es ist auch der beste. Viele Jahre lang habe ich gleichzeitig in der Pflege, als Schriftstellerin und als Lehrerin gearbeitet, aber zum Schluss wurde das zeitlich unmöglich. Ich bin sehr glücklich, dass ich jetzt eine Plattform habe, um die Wahrnehmung der Pflege und der Pflegenden zu erhöhen. Ich reise durchs Land und durch andere Länder, um darüber zu sprechen, wie wichtig Pflege ist, ich schreibe über die Pflege und ich wirke bei internationalen Kampagnen für die Pflege mit, etwa bei „Nursing now“, das von Lord Crisp initiiert wurde. Zudem bin ich Schirmherrin vom Royal College of Nursing.
Ich arbeite nicht mehr auf der Station, aber natürlich werde ich immer eine Krankenschwester und Pflegerin sein.

ÄRZTE.DE: Heute wird viel über die Eignung von Pflegekräften diskutiert. Was würden Sie sagen, sollte eine Pflegekraft mitbringen?

Christie Watson: Pflegen braucht Expertenwissen genauso wie Zuwendung und Mitgefühl. Es ist ein ganz anderer Beruf als der der Pflegeassistenz, zum Beispiel. Pfleger müssen eine gute theoretische Ausbildung bekommen, um die Bedürfnisse der komplexen Patientenschaft zu erfüllen. Die Patienten haben sich verändert und deshalb hat sich auch der Beruf verändert. Pfleger diagnostizieren, behandeln, managen, verschreiben, bieten aber auch Mitgefühl und Trost in den dunkelsten Stunden.
Natürlich ist für den Pflegeberuf die Qualifikation wichtig. Ich würde nicht von irgendeinem unqualifizierten Arzt oder einer unqualifizierten Pflegekraft gepflegt werden wollen.

ÄRZTE.DE: Pflegekräfte haben oft selbst gesundheitliche Probleme, Rückenschmerzen, psychische Belastung, etc. Warum bitten gerade sie, die um eine gute Gesundheitsversorgung wissen, selten um Hilfe?

Christie Watson: Ich bin sicher, dass sie um Hilfe bitten, aber es gibt einfach nicht genug Unterstützung für Pflegekräfte – weder körperlich noch emotional. Es gibt fast keine psychische Unterstützung für Pflegekräfte in Großbritannien und das, obwohl (weibliche) Pflegekräfte eine der höchsten berufsbedingten Selbstmordraten haben. Es gibt kein Geld und keine Zeit dafür. Mir wurde in meinen zwanzig Jahren als Krankenschwester zum Beispiel nur zweimal Unterstützung angeboten - es gab aber keine Vertretung auf der Station, damit wir uns Zeit nehmen und diese annehmen konnten.

ÄRZTE.DE: Als Pflegekraft waren Sie jederzeit für Ihre Patienten da und haben sich für sie eingesetzt. Trotzdem schreiben Sie in Ihrem Buch, dass Sie aufpassen mussten, nicht bestohlen zu werden und sehr viel weniger Respekt bekommen haben als die Ärzte. Warum glauben Sie, ist das so?

Christie Watson: Pflege ist der am geringsten geschätzte Beruf von allen. Nicht von den Patienten – normalerweise sind die Patienten dankbar und verstehen sehr gut wie wichtig und wie wertvoll die Krankenpflege ist, die sie bekommen. Aber der weite Teil der Gesellschaft schätzt Pflegekräfte nicht. Regierungen schätzen Pflegekräfte nicht. Es gibt viele Gründe, aber einer davon ist vielleicht, dass 89 Prozent der Pflegekräfte weiblich sind. Das Herz oder der Kern der Pflege ist Können, das in manchen Bereichen als „Soft Skills“ angesehen wird, als wären Mitgefühl und professionelle Pflege aus irgendeinem Grund nicht so wichtig wie Technologie und Medikamente.

ÄRZTE.DE: Am Ende sprechen Sie in Ihrem Buch auch über den Arbeitskräftemangel in der Pflege. Gleichzeitig ist der Beruf in Deutschland sehr unbeliebt. Was würden Sie sagen, muss sich ändern, damit wieder mehr Menschen in der Pflege arbeiten möchten?

Christie Watson: Wir schätzen Geld, Macht, materielle Besitztümer. Ich befürchte, dass unsere Gesellschaft sich von Gemeinschaft und Mitgefühl zu Individualität und Spaltung bewegt. Damit Menschen in der Pflege arbeiten möchten, müssten sich die Wertschätzung und die Politik ändern. Regierungen können viel dazu beitragen, indem sie den Pflegekräften das Gehalt zahlen, das ihnen zusteht und Gelder und Ressourcen bereitstellen, um die körperliche und mentale Gesundheit der Pflegekräfte zu unterstützen. Das Einstellen ist ein Problem, aber dringender ist dass sie auch bleiben. Die Pflegekräfte – Frauen und Männer, die wir haben, verlassen den Beruf. Die Pflegekräfte der NHS (National Health Service UK) etwa gehen schneller als neue hinzukommen. Die Pflegebedürfnisse und die Komplexität der Patienten bringen Krankenhäuser und Gesundheitsleistungen an ihr Limit. Wir brauchen vernetztes Denken und dringende Veränderungen, um die Pflegekräfte zu unterstützen, die gerade in diesem Beruf arbeiten.

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