Cannabis verschreiben - ein Überblick für Allgemeinmediziner und Fachärzte

Wie kann Cannabis Patienten und Patientinnen trotz des Verbots in Deutschland helfen? Das wurde bis 2017 heftigst diskutiert. Seither ist die Verordnungsfähigkeit und die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) im Sozialgesetzbuch geregelt und abgesegnet. Jeder Haus- und Facharzt hat die Option, getrocknete Cannabisblüten und -extrakte sowie andere Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon zu verschreiben.

Wie das genau funktioniert und was Sie alles beachten müssen, haben wir uns genauer angeschaut.

Ab dem 1. April 2024 ist der Konsum und der Besitz von Cannabis in Deutschland legal. Weiterführende Informationen finden Sie auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums.

Welche Patienten und Patientinnen dürfen mit Cannabis behandelt werden?

Die Anwendungsgebiete von Cannabis sind vielfältig. Besonders empfohlen wird es etwa zur Schmerztherapie, aber auch bei Krankheitsbildern wie ADHS, Depressionen oder Parkinson kann es helfen. Eine Cannabistherapie steht dennoch nicht jedem offen.

Grundvoraussetzung ist eine schwerwiegende Erkrankung. Für die Kostenübernahme durch die GKV müssen zudem noch weitere Kriterien beachtet werden. Diese sind erfüllt, wenn

  • eine allgemein anerkannte, dem gängigen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder
  • nach der begründeten Einschätzung des Arztes bzw. der Ärztin unter Berücksichtigung der Krankheit im Einzelfall gängige Therapieformen nicht angewendet werden können
  • sowie die Aussicht auf eine spürbar positive Entwicklung des Krankheitsverlaufs oder schwere Symptome durch die Cannabis-Medikamente ersichtlich ist.

Bisher ist in der gesetzlichen Grundlage § 31 Absatz 6 SGB V der Begriff „schwerwiegende Erkrankung“ nicht genauer definiert. Deshalb wird die Cannabis-Therapie überwiegend in bestimmten Krankheitsfeldern angewandt, etwa bei der Behandlung von Krebserkrankungen.

Wann übernimmt die Krankenkasse Kosten für Cannabis?

Bevor die GKV Kosten für Cannabisblüten oder entsprechende Arzneimittel aus der Apotheke übernimmt, muss zunächst ein Antrag gestellt werden. Anschließend wird der Medizinische Dienst der Krankenversicherung mit dem Überprüfen der Voraussetzungen beantragt. Nach einer Frist von drei bis fünf Wochen sollte im Normalfall eine Antwort vorliegen. Anschließend können Sie als Arzt oder Ärztin die Verordnung entsprechend ausstellen.

Schneller geht die Kostenübernahme bei einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung oder bei der ambulanten Weiterführung einer stationär begonnenen Behandlung. Hier gilt eine Frist von drei Tagen.

Passen Sie im Laufe der Cannabis-Therapie die Dosierung an oder Wechseln die Einnahmeform, ist keine neuerliche Genehmigung erforderlich.

Welche Sorten Cannabisblüten und Fertigarzneien mit Cannabis gibt es in der Apotheke?

Cannabis oder Gras bezeichnet umgangssprachlich die Blüten der weiblichen Cannabispflanze. Die Triebspitzen werden abgeschnitten und getrocknet. Sie enthalten unterschiedliche Wirkstoffe, darunter THC. Für eine bessere Dosierung werden diese in der Apotheke meist gemahlen und gesiebt. So kann die unterschiedliche Wirkstoffkonzentration der Blütenbestandteile ausgeglichen werden.

Manchmal sind die Cannabisblüten auch als Granulat erhältlich. Das kann ebenfalls hilfreich für die Dosierung sein.

Daneben gibt es in Deutschland aktuell zwei zugelassene Fertigarzneimittel mit Cannabis:

  • Sativex ist ein Spray zur Anwendung in der Mundhöhle. Es enthält Dronabinol, also die zu Öl verarbeiteten Cannabisblüten.
  • Bei Canemes handelt es sich im Kapseln mit Nabilon, also synthetisch hergestelltem Cannabis.

Möchten Sie Dronabinol oder Nabilon in anderen Darreichungsformen verordnen, können diese nach gängigen Rezepturen in der Apotheke hergestellt werden. So sind auch ölige Drobaniol-Tropfen oder Tabletten möglich.

Die Einnahme von Cannabis bei der Therapie

Fertigarzneimittel mit Cannabis können einfach nach den Anweisungen in der Packungsbeilage verabreicht werden. Auch in der Apotheke hergestellte Tropfen oder Kapseln sind in der Regel einfach anwendbar: Sie werden in der vorgegebenen Dosierung oral eingenommen.

Bei Cannabisblüten oder Granulat ist die Anwendung komplexer. Sie müssen erst erhitzt werden, um ihre Wirkung zu entfalten. Beim klassischen Rauchen entstehen allerdings schädlich Stoffe. Um negative gesundheitliche Folgen zu vermeiden, sollten Sie Patienten und Patientinnen deshalb auf die Alternativen hinweisen. Beliebt sind etwa medizinische Verdampfer für die Cannabis-Therapie. Daneben kann außerdem ein Tee aus Cannabis zubereitet werden.

Andere Möglichkeiten wie etwa das Verbacken in Keksen oder Kuchen wird nicht empfohlen. Hier kann eine einheitliche Dosierung nicht gewährleistet werden.

Cannabis wird als Betäubungsmittelrezept verordnet

Cannabis sowie Dronabinol und Nabilon fallen unter das Betäubungsmittelgesetz. Möchten Sie Cannabis verschreiben, ist deshalb ein Betäubungsmittelrezept (kurz BtMVV) nötig. Es sollte die Arzneimittelbezeichnung und Darreichungsform sowie die Menge in Gramm oder Milliliter enthalten.

Nicht-interventionelle Begleiterhebung : Datenerhebung beendet

Bis zum 31.03.2022 waren Sie mit jeder Verordnung von Cannabis verpflichtet an der nicht-interventionellen Begleiterhebung teilzunehmen. Verschreibende Ärzte und Ärztinnen übermittelten dafür Daten, wie Diagnose, Krankheitsverlauf und Auswirkungen der Cannabis-Therapie an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Die Ergebnisse der Datenerhebung sollen bei der Einschätzung zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen aber auch bei den weiteren Empfehlungen für eine Therapie mit Cannabis unterstützen. Folgende Daten wurden dafür ausgewertet:

  • Alter und Geschlecht des/der Versicherten.
  • Diagnose gemäß dem Diagnoseschlüssel ICD-10.
  • Dauer der Erkrankung oder Symptomatik.
  • Bisherige Therapien und gegebenenfalls Gründe der Beendigung
  • Angaben, ob eine Erlaubnis zur ärztlich begleiteten Selbsttherapie vorlag und ob von dieser Gebrauch gemacht wurde.
  • Genaue Bezeichnung der verordneten Cannabistherapie, einschließlich Dosierung und Art der Anwendung.
  • Dauer der Therapie.
  • Parallel verordnete Medikamente nach Wirkstoffen.
  • Auswirkungen der Cannabis-Therapie auf Krankheits- und Symptomverlauf.
  • Angabe zu aufgetretenen Nebenwirkungen unter Cannabis.
  • Gegebenenfalls Gründe für die Beendigung der Therapie.
  • Entwicklung der Lebensqualität des/der Versicherten.
  • Fachrichtung des verordnenden Vertragsarztes.

Aktualisiert am 28.03.2024.

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