Zungendiagnostik – was ist das?

Die Zunge ist eines der aktivsten Organe des menschlichen Körpers. Ohne sie wäre nicht nur die Art und Weise, wie Menschen miteinander sprechen, grundlegend anders. Auch das Erleben von unterschiedlichen Geschmacksrichtungen beim Essen sowie der gesamte Prozess der Nahrungsaufnahme ist unmittelbar mit dem Muskelkörper verknüpft.
Aufgrund ihrer Beteiligung an diesen vielschichtigen Prozessen verwundert es nicht, dass die Zungendiagnostik in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) eine wichtige Rolle bei der Bestimmung von Krankheiten einnimmt.

Was bedeutet Zungendiagnostik?

Die Zungendiagnostik ist eines der ältesten und bedeutendsten Diagnoseinstrumente der chinesischen Heilkunde. Die Zunge gilt in der TCM bereits seit mehr als 2500 Jahren als Spiegel des energetischen Zustands des Körpers. Über sogenannte Meridiane, Leitbahnen, in denen die Lebensenergie Qi durch den Körper fließt, sollen lebenswichtige Organe wie Herz, Milz oder die Leber direkt mit der Zunge in Verbindung stehen.

Dank dieser Verknüpfungen sollen erfahrene Therapeut:innen genau erkennen können, wie es um den Gesundheitszustand des Körpers bestellt ist und welche Erkrankung möglicherweise vorliegt. Behandler:innen achten bei der Zungendiagnostik vor allem auf diese Faktoren:

  • Größe & Form der Zunge
  • Farbe des Muskelkörpers
  • Farbe und Struktur des Zungenbelags
  • Unterseite der Zunge

Wie kann die Zunge bei der Diagnose helfen?

Um eine Diagnose zu stellen, wird die Zunge in der TCM-Lehre in verschiedene Abschnitte unterteilt: Zungenspitze, Zungenmitte, Zungenwurzel und Zungenränder. Jeder dieser Bereiche soll den Gesundheitszustand eines oder mehrerer Organe widerspiegeln.

Zungenspitze: Herz und Lunge

Zungenmitte: Milz und der Magen-Darm-Trakt

Zungenwurzel: Niere

Zungenränder: Leber und Galle

Durch die kombinierte Betrachtung der Art der Veränderung, etwa der Farbe des Zungenbelags und dem Ort, an dem die Veränderung auftritt, zum Beispiel die Zungenspitze, sollen in TCM geschulte Behandler:innen Erkrankungen der inneren Organe diagnostizieren können.

Ablauf der Zungendiagnostik

Um einen Befund zu erstellen, beurteilen TCM-Fachkräfte das Aussehen der locker aus dem Mund hängenden Zunge ihrer Patient:innen. Für eine unverfälschte Einschätzung soll direkt vor einem Termin auf die Nahrungsaufnahme sowie Zähneputzen verzichtet werden, da bestimmte Lebensmittel die natürliche Oberfläche und Farbe der Zunge verändern können.

Bei der Diagnose selbst wird nach Merkmalen gesucht, die von einer „gesunden Zunge“ abweichen. Die TCM-Kriterien einer gesunden Zunge sind:

  • Eine zarte Oberfläche
  • Bewegt sich ohne Einschränkungen im Mundraum
  • Besitzt eine hellrote Farbe
  • Eine dünne, weiße Schicht bedeckt die Oberfläche
  • Nicht zu trocken, nicht zu feucht

Je nachdem, welche Abweichungen festgestellt werden, sollen Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand geschlossen werden können.
Zum Beispiel soll eine blass-rote und geschwollene Zunge mit roten Punkten an der Zungenspitze auf Lungenerkrankungen wie einen grippalen Infekt hinweisen.

Abseits von diesem Beispiel hat die Traditionelle Chinesische Medizin vielen anderen Formen und Farben der Zunge eine bestimmte Bedeutung zugeschrieben, die sogar auf einen Herzinfarkt hindeuten sollen.

Bedeutung der Zungendiagnostik in der Schulmedizin

Auch unsere westliche Schulmedizin nutzt Veränderungen der Zunge, um Krankheiten und Mängel zu erkennen und auszuschließen. In der Regel führt ein erfahrener Hals-Nasen-Ohren-Arzt die Zungendiagnostik durch. Eine glatte, rote Zunge gilt als ein wichtiges Symptom für gesundheitliche Störungen wie:

  • Leberprobleme
  • Diabetes mellitus
  • Vitamin-B-12-Mangel („Lackzunge“)
  • Anämie (Blutarmut)

Eine rote, empfindliche und brennende Zungenspitze kann hingegen auf einen Eisenmangel hindeuten. Bei ähnlichen Symptomen kann jedoch auch eine Magenschleimhautentzündung vorliegen.

Kritik aus der evidenzbasierten Medizin

Dass die Zungendiagnostik als Diagnosewerkzeug für teilweise schwerwiegende Erkrankungen genutzt wird, bleibt jedoch nicht ohne Kritik. Generell gibt es keinen wissenschaftlichen Konsens oder ausreichend evidenzbasierte Studienergebnisse über die Wirksamkeit der Diagnosemethode. Diese Meinung vertritt unter anderem Markus Brunner von der HNO-Klinik der MedUni Wien im Gespräch mit der Online-Zeitschrift derStandard.at. Der Mediziner weißt im Gespräch darauf hin, dass die Beschaffenheit der Zunge alleine nicht ausreicht, um klare Rückschlüsse auf eine Krankheit zu geben.

Weiterhin führt der Experte aus, dass die Menschheit keine einheitliche „gesunde Zunge“ besitzt, die bei jedem Menschen exakt gleich aussieht. Auch bei kerngesunden Menschen gibt es von Person zu Person Unterschiede in der Farbe, dem Oberflächenbelag oder den Rillen, die sich auf der Zunge zeigen.

Dieser Beitrag wurde am am 27.08.2021 aktualisiert.

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