3D Drucker in der Medizin - längst keine Zukunftsmusik mehr

Wie macht man Digitalisierung greifbar? Mit einem 3D Drucker, denn damit werden Daten zum Produkt – und das in kurzer Zeit. Die Vorteile des additiven Verfahrens, in dem das Material schichtweise aufgetragen wird, gegenüber der subtraktiven Herstellung sind zahlreich.

Es entstehen individualisierte Produkte mit viel Designfreiheit. Ein großes Plus ist auch die bessere Umweltbilanz durch geringeren Material- und CO2 Verbrauch. Als Werkstoffe werden vor allem biologisch resorbierbare, bioaktive synthetische oder echte biologische bzw. bionische Materialien eingesetzt. Diese fördern die Anlagerung körpereigener Zellen. Werden patienteneigene Zellen verwendet, ist zudem das Abstoßungsrisiko kleiner. Eine Trendanalyse:

3D Drucker in der Operationsvorbereitung

In Kliniken wie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz unterstützt die 3D Drucktechnik bereits Chirurgen in der Operationsvorbereitung. Die exakt personalisierten Modelle des zu operierenden Gebietes ermöglichen eine Vorbereitung unter realistischen Bedingungen. Vor allem bei komplexen Eingriffen kann das Risiko so gesenkt werden. Von Patienten der Gefäßchirurgie werden durchschnittlich bis zu 2000 CT Aufnahmen erstellt, 3D Druckmodelle bieten die Chance einer schnelleren Diagnose und Behandlung. Studien beschäftigen sich mit der real eingesparten Operationszeit, wenn sich die Chirurgen im Vorneherein mit den gedruckten Operationsgebieten vorbereiten konnten. Das Ergebnis: Bei einer Zeit im OP (in der Gefäßchirurgie) von durchschnittlich zwei bis vier Stunden kann das bis zu 40 % ausmachen. Das ist viel wert in einem Fach, in dem Zeit über Leben oder Tod entscheiden kann.

3D Drucker in der Orthopädietechnik

Patienten innerhalb von wenigen Tagen mit einer maßgeschneiderten Prothese oder Orthese versorgen? Vor dem Einsatz von 3D Druck in der Orthopädietechnik war das kaum möglich. Erwachsene und Kinder erhalten ihre Hilfsmittel nun nicht nur schneller, sondern auch optimal auf ihre Ansprüche angepasst. Die Parameter der Druckvorlage wachsen millimetergenau und stufenlos mit Kindern mit. Erfasst werden sie via CT, MRT oder 3D Scan.

3D Drucker in der Dentaltechnik

Dentallabore sind zu einem großen Teil schon länger von den Vorteilen des 3D Drucks in der Dentaltechnik überzeugt. Herkömmliche Methoden wie das Gießen und Fräsen wurden vielerorts bereits ersetzt. Die Unterschiede sind immens: In der Dentaltechnik wird in kleinen Dimensionen gedacht und gearbeitet. Zahnersatz und Implantate sind von geringer Größer, das Drucken geht demnach wesentlich schneller. Fräsen ist auch längst nicht so präzise und zudem kostenintensiver als ein Druckdurchlauf. Gießen dauert lange und ist in seiner möglichen Materialdichte limitiert. Dagegen kann bei einem 3D Druck festgelegt werden, an welchen Stellen das Produkt elastischer und an welchen es etwas steifer werden soll. Ziel der Zahnmediziner ist es jedoch, weg von Kunststoffen und hin zu natürlichen Materialien zu kommen.

Implantate aus dem 3D Drucker

Künstliche Kniegelenke oder eine Hüfte sind Standardprodukte und in verschiedenen Größen erhältlich. Implantate aus dem 3D Drucker nehmen mehr Rücksicht auf die persönliche Beschaffenheit des Patienten. Krankenkassen versprechen sich von den individualisierten Implantaten weniger Nachwirkungen oder Arztbesuche und finanzieren die teurere Alternative in manchen Fällen. Diese Produkte werden in Deutschland jedoch erst seit gut fünf Jahren eingepflanzt, eine Langzeiterfahrung fehlt daher.

Bioprinting

Eine lebende Tinte – eine Nachricht, die vor einiger Zeit für Aufsehen in der Branche sorgte. Gemeint ist damit eine biokompatible Tinte für sogenanntes „Bioprinting“. Dieses mit lebenden Bakterien versetzte Material ermöglicht die Herstellung von biologischen Produkten, die viele Funktionen wie den Abbau von Giftstoffen haben können, je nach eingesetzter Tinte. Besonders interessant für die Versorgung von Brandwunden ist das Bakterium Acetobacter xylinum, welches die Eigenschaft besitzt, eine bakterielle Zellulose herstellen zu können. Diese ist nicht nur stabil und hält feucht – sie wirkt auch schmerzlindernd.

Vier verschiedene Tinten können in einem Druckdurchlauf verwendet und so die Eigenschaften der Bakterien optimal in dreidimensionalen Strukturen zusammengefügt werden. Als Tinte kommt ein biokompatibles Hydrogel zum Einsatz. Es ist strukturgebend und besteht aus Hyaluronsäure, Zuckermolekülen und Kieselsäure. Forscher vermuten, dass die relativ anspruchslosen Bakterien lange in dieser gedruckten Form überleben können.

Wissenschaftler aus den USA setzen auf Polycaprolacton, einen biologisch abbaubaren und thermisch gut formbaren Kunststoff. Sie forschen schon über ein Jahrzehnt mit Gewebedruckern und hoffen damit Muskel- und Knochengewebe nachbilden zu können.

Vielversprechende Verfahren

SL, LAB, SLS – hinter diesen Abkürzungen stecken vielversprechende Verfahren des 3D Drucks. Während die Stereolithografie SL bereits seit den 70er Jahren Verwendung in der Herstellung von Scaffolds findet, realisiert das Spezialverfahren des Lasergestützten Bioprinting LAB den Einbau von menschlichen Spenderzellen in Hydrogelstrukturen. Im LAB Verfahren hergestellte Scaffolds weisen weniger mechanische Festigkeit auf. Es konnte so bereits Lebergewebe gezüchtet werden.

Beim Bioplotting handelt es sich um ein wässriges Medium, dessen Oberfläche Schicht für Schicht aufgetragen wird. Besonders spannend ist, dass kein Stabilisator außer der eigenen Auftriebskraft verwendet wird. Fragile Strukturen wie Gewebe können damit aufgebaut werden. Ganz anders arbeitet das Selektive Lasersintern SLS, welches vor allem in der Herstellung von keramischen oder metallischen, also steifen Stützstrukturen, Verwendung findet.

Soll das Augenmerk auf der Porosität liegen, ist die Direct Ink Writing Technik eine gute Wahl. Dabei kann die Einstellung von Porositätsgradienten im Produkt exakt vorgenommen werden.

Offene Fragen und Perspektiven

Ausstehende Langzeitprognosen zählen zweifellos zu den wichtigsten offenen Fragen zum Einsatz des 3D Drucks in der Medizin. Wie die Sterilität sichergestellt werden kann oder eine Zertifizierung aussehen könnte, ist in manchen Bereichen ebenfalls noch nicht geklärt. Medizinethiker diskutieren zudem hinsichtlich moralischer Bedenken, da diese Druckverfahren einen sehr schnellen und einfachen Ersatz von Organen ermöglichen könnten.

Einig sind sich die meisten Wissenschaftler und Mediziner darin, dass es zukünftig entscheidend für das gesamte Gesundheitswesen sein könnte, inwiefern die Chancen des 3D Drucks eingesetzt werden. Vor allem die Aus- und Weiterbildung sowie die Forschung könnten von dieser Technik profitieren.

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