Vorwurf Behandlungsfehler: Was können Sie jetzt tun?

Es gibt wohl keinen Arzt und keine Ärztin, der bzw. die in seiner oder ihrer Laufbahn schon einmal einen ärztlichen Behandlungsfehler gemacht hat. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Patienten und Patientinnen, die sich von einer Beratung oder Behandlung mehr versprochen haben und mit dem Ergebnis nicht einverstanden sind.

Wird Ihnen ein Behandlungsfehler vorgeworfen, ist das dennoch zunächst ein Schock. Manche Betroffene reagieren mit Selbstzweifeln und Vorwürfen, andere sind wütend und können erstmal keine Schuld bei sich erkennen. Doch egal wie es Ihnen mit dem Vorwurf geht: Zunächst gilt es Ruhe zu bewahren.

Behandlungsfehler: Eine Berufshaftpflichtversicherung ist Pflicht für berufstätige Ärzte und Ärztinnen

Zwischen Arzt oder Ärztin und Patient:in entsteht immer ein Behandlungsvertrag. Nach dem Patientenrechtegesetz von 2013 hat der bzw. die Patient:in damit Anspruch auf eine Behandlung nach aktuellen medizinischen Standards. Wird dieser nicht erfüllt, bekommt er oder sie unter Umständen Schadensersatz. Ärzte und Ärztinnen sollten deshalb eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, die alle Eventualitäten abdeckt. Diese sollte auf jeden Fall regelmäßig überprüft und falls nötig aktualisiert werden. Angestellte Mediziner:innen achten am besten auf einen entsprechenden Verweis im Arbeitsvertrag. Zusätzlich können Sie den Versicherungsvertrag einsehen, um wirklich abgesichert zu sein.

Statistik: Behandlungsfehler sind sehr selten

Nur weil ein(e) Patient:in einen Behandlungsfehler vermutet, muss noch keiner vorliegen. Bundesweit registrierte der Medizinische Dienst 2022 13.050 Behandlungsfehlergutachten, auch bei den Schlichtungsstellen der Bundesärztekammern werden jährlich etwa 10.000 Vorwürfe bearbeitet. 2021 konnten die Gutachter:innen allerdings nur knapp 1500 Fälle feststellen, in denen ein Behandlungsfehler vorlag. 200 davon betrafen alleine eine mangelhafte Aufklärung ohne weitere Folgen.

Bei mehr als 1 Milliarde Arztkontakten und fast 20 Millionen Krankenhausbehandlungen pro Jahr in Deutschland sind diese Zahlen sehr gering. Dennoch sollten Sie die Sorgen und Nöte Ihrer Patienten und Patientinnen ernst nehmen und entsprechend reagieren.

Vorwurf Behandlungsfehler: Die ersten Schritte

1. Berufshaftpflicht benachrichtigen
Ob nun ein offizielles Schreiben bei Ihnen eintrifft oder ein(e) Patient:in sich nur mündlich bei Ihnen beschwert, den Vorwurf auf einen Behandlungsfehler sollten Sie direkt Ihrer Berufshaftpflichtversicherung mitteilen. Selbst wenn es später nicht zu einer Schadensersatzforderung kommt, können Sie sich dort über die weiteren Schritte beraten und betreuen lassen.

2. Gedächtnisprotokoll schreiben
Oft dauert es mehrere Monate oder Jahre bis Sie bei einer Schlichtung oder in einer Verhandlung Ihre Eindrücke schildern müssen. Deshalb sollten Sie möglichst früh alles notieren, was Ihnen noch zu dem Fall einfällt. So können Sie im Verlauf hoffentlich alle Fragen beantworten und vergessen keine Details.

3. Falls gewünscht: Patientenakte herausgeben
Patienten und Patientinnen dürfen Ihre Akte jederzeit einsehen. Werden Sie danach gefragt, sollten Sie diese auch zur Verfügung stellen. Auch das Personal in der Verwaltung sollte entsprechend instruiert werden. Wichtig: Das Original verbleibt immer in der Praxis. Eventuelle Kopierkosten müssen Sie selbst tragen.

4. Schriftliche Kommunikation den Profis überlassen
Die schriftliche Kommunikation sollten Sie ausschließlich der Berufshaftpflichtversicherung bzw. ihrem Anwalt oder ihrer Anwältin für Behandlungsfehler überlassen. Schicken Sie dafür direkt alle Unterlagen an den oder die jeweilige(n) Ansprechpartner:in. Unser Tipp: Vor dem Abschicken sollten Sie Kopien für Ihre eigene Ablage machen. So haben Sie für Nachfragen ebenfalls alles griffbereit.

5. Gesprächsanfragen zulassen – nur mit Beratung
Ein klärendes Gespräch mit allen Parteien kann nützlich sein. Oft wollen Patienten und Patientinnen nur ihrem Ärger Luft machen, Verständnis entgegengebracht bekommen oder auch Verbesserungen für die Zukunft anregen. Bevor Sie ein solches Gespräch führen, sollten Sie sich aber unbedingt beraten lassen. Die Berufshaftpflichtversicherung oder ein Anwalt bzw. eine Anwältin für Behandlungsfehler können wichtige Tipps und Handlungsempfehlungen geben.

Was ist ein Behandlungsfehler?

Auch wenn sich das alle Beteiligten wünschen würden: Nicht immer führt eine Behandlung zu dem erhofften Ergebnis. In manchen Fällen kommt es danach zu gesundheitlichen Einschränkungen oder der Erfolg bleibt aus. Der oder die betroffene Patient:in leidet oft massiv darunter. Hinzukommt, dass medizinische Sachverhalte für Laien häufig schwer zu verstehen sind. Verständnis für die Lage der Patienten und Patientinnen ist deshalb eine wichtige Grundlage, um sie entsprechend zu betreuen. Dennoch handelt es sich in einem solchen Fall in der Regel nicht um einen Behandlungsfehler.

Nach dem Patientenrechtegesetz von 2013 hat jeder in Deutschland Anspruch auf eine Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards. Eine Erfolgsgarantie können und müssen Sie den Patienten und Patientinnen nicht geben.

Natürlich machen auch Ärzte und Ärztinnen Fehler. Das kann während einer Untersuchung, bei der Aufklärung vor einer Behandlung, während der Durchführung dieser oder auch bei der Pflege und Nachsorge danach passieren. Auch wenn nicht ausreichend qualifiziertes Personal zum Einsatz kommt oder die Abläufe nicht korrekt durchgeführt werden, kann es zu einem Behandlungsfehler kommen. Fehler sind menschlich und kommen in der Medizin genauso wie in jedem anderen Beruf vor. Diese Behandlungsfehler müssen aber nicht immer Folgen haben.

Gutachten für Behandlungsfehler

Vermutet ein(e) Patient:in einen Behandlungsfehler, beauftragt seine bzw. ihre Krankenkasse in der Regel die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern. Diese prüft den Fall kostenlos und unabhängig. So wird zum Beispiel untersucht, ob die gesundheitlichen Einschränkungen wirklich auf den Fehler und nicht auf eine andere Ursache, etwa eine allgemeine Verschlechterung des Gesundheitszustands zurückzuführen sind. Außerdem wird geklärt, ob nicht nur ein typisches Risiko der Maßnahme eingetreten ist. Erst wenn das Gutachten einen Behandlungsfehler bestätigt, kommt die Krankenkasse auf Sie oder Ihre Berufshaftpflichtversicherung zu.

Unterschied einfacher und grober Behandlungsfehler

In der Regel ist bei Behandlungsfehlern der bzw. die Patient:in in der Beweispflicht. Das heißt, er oder sie muss nachweisen, dass die gesundheitlichen Folgen auf die fehlerhafte Behandlung zurückzuführen sind. Anders ist das bei groben Behandlungsfehlern. Diese liegen vor, wenn gegen elementare Behandlungsregeln und Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft verstoßen wird.

Beispiele für grobe Behandlungsfehler sind etwa

• Durchführung einer Behandlung entgegen der S3-Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften

• Keine oder lückenhafte Dokumentation

• Keine oder fehlerhafte Aufklärung

• Befunde wurden trotz klarer Anzeichen nicht eingeholt

• Personal ohne entsprechendes Wissen oder Ausbildung hat die Behandlung durchgeführt

Schmerzensgeld und Schadensersatz bei einem Behandlungsfehler

Im Netz finden sich zahlreiche Tabellen zu Schmerzensgeld und Schadensersatz bei Behandlungsfehlern. Ihre Aussagekraft ist allerdings sehr gering. Denn ob es überhaupt zu einer Zahlung kommt und wie hoch diese ausfällt, wird ganz individuell festgelegt.

  • Beim Schadensersatz geht es etwa um den tatsächlichen Schaden, der einem Patienten oder einer Patientin durch den Behandlungsfehler entstanden ist. Das können zum Beispiel Kosten für weitere Behandlungen oder ein Verdienstausfall sein.
  • Auch Schmerzensgeld wird individuell bemessen. Dabei geht es nicht nur um körperliche Leiden, sondern auch um seelische Folgen für die Betroffenen.

Oft werden Zahlungen für Behandlungsfehler gar nicht vor Gericht ausgehandelt. Vielmehr setzen sich Vertreter:innen der Berufshaftpflichtversicherung und der Krankenkassen, manchmal auch die Betroffenen zusammen. Gemeinsam suchen sie nach einer Lösung, die für alle Parteien akzeptabel ist.

Behandlungsfehler: Verjährung

Drei Jahre nach dem der Patient oder die Patientin von einem Behandlungsfehler erfahren hat bzw. die Auswirkungen deutlich erkennbar waren, verjährt dieser. Danach sind keine rechtlichen Schritte mehr möglich.

Behandlungsfehlern vorbeugen durch Fehlervermeidungsstrategie

Am besten ist es natürlich, wenn es gar nicht erst zu Behandlungsfehlern kommt. Deshalb setzen sich alle Verantwortlichen – Praxen, Krankenhäuser, Ärztekammern, Bundesgesundheitsministerium – für eine Fehlervermeidungsstrategie ein. Feste Mechanismen und Handlungsabläufe sollen Ihnen im Alltag helfen, Unachtsamkeiten und Fehler frühzeitig zu bemerken oder gar nicht erst zu machen. Dazu gehört etwa eine gute Organisation, das Ansprechen der Patienten und Patientinnen mit dem Namen, damit es nicht zur Verwechslung kommt, oder die schnelle Reaktion auf Hinweise von anderen.

Eine wichtige Grundlage bei allen Vorwürfen ist zudem die Patientenakte. Anhand der dort festgehaltenen Untersuchungs- und Behandlungsschritte kann ein Streitfall beurteilt werden. In jeder Praxis oder Klinik sollte es deshalb einen festgelegten Standard für die Akte geben. Alle Vorkommnisse und auch ein erster vielleicht nur mündlich geäußerter Vorwurf sollten dort festgehalten werden. Möchte ein(e) Patient:in seine bzw. ihre Unterlagen einsehen, sollten Sie das ebenfalls notieren.

Auch Sie persönlich können viel gegen das Vermeiden von Behandlungsfehlern tun. Ausreichend Zeit, wenig Stress und regelmäßige Erholung sind oft die Grundlage, um gut und konzentriert arbeiten zu können. Zudem können Sie sich in der Statistik der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern informieren, wo es in Ihrem Fachbereich häufiger zu Fehlern kommt. An diesen Stellen sollten Sie dann besonders aufmerksam sein.

Dieser Beitrag wurde am 29.08.2023 aktualisiert.

 

Quellen:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/patientenrechte/behandlungsfehler.html

https://www.aerztekammern-schlichten.de/

https://www.aps-ev.de/

https://www.mwv-landingpages.de/risiko-und-sicherheitskultur-im-gesundheitswesen/

https://www.eu-patienten.de/de/behandlung_deutschland/behandlungsfehler/behandlungsfehler.jsp

https://www.patientenberatung.de/de/informationen/recht/durchsetzung-von-schadensersatzanspruechen

https://www.ra-laux.de/anwalt-medizinrecht/behandlungsfehler/

https://fachanwaeltemedizinrecht.de/wp-content/uploads/2020/04/Grober.Behandlungsfehler.pdf

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