Antibiotika aus Deutschland - eine Lösung für den Medikamentenmangel?

Dieser Beitrag wurde am 13.04.2023 aktualisiert.

Das Thema Versorgungssicherheit bei Antibiotika und Medikamenten hat uns längst eingeholt. Schon lange wird nicht mehr diskutiert, was im Notfall passieren könnte. Der Medikamentenmangel betrifft direkt die Patienten und Patientinnen. Die Ursachen dafür sind schon länger bekannt. Gerade im Bezug auf Generika herrscht eine große Abhängigkeit vom asiatischen Markt. Hinzu kommen fragile Lieferketten, die leicht gestört werden können. Das ist auch der deutschen Regierung bewusst. Bereits 2020 und ebenso im Koalitionsvertrag 2021 hat diese festgeschrieben, die Herstellung von Arzneimitteln inklusive der Wirk- und Hilfsstoffe nach Deutschland oder in die EU zurück zu verlagern.

Doch seither ist in diesem Bereich nicht viel passiert. Das liegt auch an den Umständen. Denn bei all den Argumenten für eine heimische Produktion, die Entwicklung der letzten 20 Jahre rückgängig zu machen, wird nicht einfach.

Die Produktion im Ausland als Ursache für fehlende Antibiotika

Die hohe Abhängigkeit von importierten Stoffen aus Non-EU-Ländern führt immer wieder zu Lieferengpässen von Antibiotika und anderen Medikamenten in Deutschland. Die Kapazitäten dieser Produzenten sind zumeist fix. Sollte es zu unvorhersehbaren Schwierigkeiten und Lieferengpässen kommen, priorisieren diese erst die Nachfrage des Bedarfs vor Ort. Zusätzlich führen die komplizierten und oft fragilen Lieferketten zu Verzögerungen. Gleichzeitig kommt es immer wieder zu Produktionsmängeln ausländischer Hersteller:innen. Die Folge auch hier: Verzögerungen in der Lieferung. Kommt es sogar zu Qualitätsmängeln der importierten Produkte, werden sie unbrauchbar und Patienten sowie Patientinnen erhalten unter Umständen ein breiter wirksames Medikament. Resistenzen entstehen.

Die Problematik der Resistenzen

Auch in einem Beitrag über die Produktionsverlagerung von Medikamenten kommen wir nicht umhin über die wachsende Problematik der Antibiotika-Resistenzen zu sprechen. Multiresistente Bakterienstämme breiten sich aus. Die Gründe dafür sind vielfältig, etwa der Einsatz in der Tierzucht oder das wirkungslose Verschreiben von Antibiotika bei Viruserkrankungen. Ein Punkt kommt jedoch noch hinzu: antibiotische Wirkstoffe im Abwasser. Im Umkreis von Fabriken in Indien etwa, entstehen in Flüssen und anderen Gewässern gefährliche resistente Erreger, die sich mit Leichtigkeit global ausbreiten. Abwässer von Pharmaunternehmen müssen eigentlich auf dem Firmengelände gereinigt und aufbereitet werden. Dies ist allerdings sehr aufwendig und mit hohen Kosten verbunden. So werden diese Vorschriften im Ausland oft umgangen oder ignoriert.

Was spricht gegen eine Produktion in Europa?

Die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung und ein Ende der Abhängigkeit von ausländischen Produzenten, ist natürlich im Sinne der Regierung und des Gesundheitswesens. Um die Produktion von Antibiotika und anderen Medikamenten nach Europa oder sogar Deutschland zu verlagern, ist allerdings ein goßer Aufwand nötig. Anders als in Ländern wie China oder Indien sehen sich Hersteller:innen in Europa mit umfassenden Produktionsauflagen, hohen Lohnkosten und bisher fehlenden Technologien konfrontiert. So sind die Umweltauflagen innerhalb der EU zum Beispiel deutlich strikter. Gleichzeitig wird pro Anlage meist nur ein Wirkstoff hergestellt, um einer Kreuzkontamination vorzubeugen. Es müsste also eine Vielzahl Produktionsstätten geschaffen werden, die sich an höheren Standards orientiert.

Hinzu kommt das niederschwellige Preisniveau von Antibiotika und anderen Medikamenten in Deutschland. Unter den aktuellen Bedingungen wäre eine Produktion innerhalb der EU ein großes Verlustgeschäft für die Hersteller:innen. Laut einer forsa Umfrage aus dem Jahr 2020 wären 92 % der Deutschen bereit, für die heimische Produktion höhere Preise zu bezahlen. Dennoch müssten steigende Kosten auch vom Gesundheitssystem aufgefangen werden, um weiterhin allen Patienten und Patientinnen die Versorgung mit notwendigen Präparaten zu ermöglichen. Es ist klar: Ohne maßgebliche Veränderungen der Voraussetzungen durch wirtschaftspolitische Entscheidungen bleibt das Vorhaben die Produktion zurückzuholen eine Wunschvorstellung.

Wie kann eine Rückverlegung der Produktion realisiert werden?

Der Herstellerverband Pro Generika hat eine Studie zu eben jenem Thema in Auftrag gegeben. Ihr Fazit: Leicht wird es nicht. Um Deutschland als Produktionsstandort zu stärken, kämen demnach drei Möglichkeiten infrage; ein staatlicher Eingriff beim Preis, Subventionen oder das Blocken von Kapazitäten durch die Förderung der Hersteller. Eine gesamteuropäische Beteiligung sollte angestrebt werden. Viele geben bereits zu verstehen, dass sie an einer Rückführung interessiert seien. Krankenkassen sollten die langfristige und stete Sicherung von Mindestabnahmemengen der lokalen Produkte gewähren. Insgesamt müsse aber auch das Verständnis der Regierung für die Relevanz der Antibiotikaversorgung in Deutschland steigen. Der Weg dorthin könnte ein Dialog mit Vertretern und Vertreterinnen aller beteiligter Akteure des Gesundheitswesens sein.

Vollkommene Unabhängigkeit von ausländischer Medikamentenproduktion wird so wohl nicht erreicht werden. Dennoch ist die heimische Herstellung ein wichtiger Faktor, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Werden dann noch bestehende zuverlässige Standorte gestärkt und die Lieferketten verbessert, könnte Medikamentenmangel in Zukunft vermieden werden.

Aktualisiert am 17.04.2023.

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